Boden beleben
In Brandenburg werden viele Techniken und Projekte umgesetzt, um den Boden zu verbessern
Die Gesundheit des Bodens ist eines der derzeit meist diskutierten Themen. Alle reden über die Krume, auf der wir stehen und pflanzen. Kümmerten sich Wissenschaftler vor 100 Jahren vor allem um die Ertragsfähigkeit des Ackerbodens, drehen sich Forschungsarbeiten, Förderprogramme und Vorgaben der öffentlichen Hand aktuell stark darum, Boden zu schützen und die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern.
Das ist berechtigt: Die vergangenen Jahrzehnte moderner Landwirtschaft haben auch dazu geführt, dass mancherorts die natürlichen Humusschichten dünner wurden und die Fruchtbarkeit des Bodens nachließ. Schlussendlich leidet darunter auch die Ertragsleistung der Ackerstandorte.
In Deutschland werden deshalb seit Jahren Techniken und Projekte umgesetzt, mit dem Ziel, den Boden zu verbessern – so auch in Brandenburg. Einige davon sollen hier kurz vorgestellt werden.
Wurzeln oder graben
Generell lassen sich zwei Herangehensweisen zur Bodenverbesserung unterscheiden: Entweder sind die Eingriffe sehr gering und der Boden soll vor allem unterstützt werden, sich selbst zu regenerieren. Oder mit mechanischen Maßnahmen wird tief in die Bodenschichten eingegriffen.
Gering ist der Eingriff beim Luzerne-Anbau. Luzernen besitzen die Eigenschaft den Boden biologisch zu lockern und zu stabilisieren. Hierzu führte bereits eine DDR-Vorläufereinrichtung des Forschungsinstituts für Bergbaufolgelandschaften (FIB) in den 80er Jahren auf ehemaligen Tagebaustandorten Versuche durch. Der große Vorteil der Luzerne: Sie nutzt das Ertragspotenzial auch nährstoffarmer und sehr inhomogener Böden wie Kippsubstrate, hat keine hohen Ansprüche an das Bodengefüge und kommt auch mit weniger Wasser zurecht. Insbesondere dringen Luzerne-Wurzeln tief in den Boden ein. Die dort verbleibenden Wurzelgeflechte verrotten und bauen Humus auf, ebenso die Ernterückstände. Natürlich ist deren Fähigkeit, Stickstoff zu binden, von ebenfalls großer Bedeutung. Durch Integration von Luzernen in die Fruchtfolge gelingt es, die Bodenfruchtbarkeit der Kippböden aus dem Tagebau zu erhöhen, ebenso deren Ertragsfähigkeit. Unterstützt werden die Maßnahmen durch organische Düngung. So konnten diese Standorte wieder zur Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln genutzt werden. Beispielhaft zeigte dies Ende September der Luzerne-Feldtag von Landwirtschaft im Dialog auf Gut Neu Sacro bei Cottbus. Betriebsleiter Bernd Starick stellte dort mit Luzernen rekultivierte Flächen vor, wie auch die Nutzung der Pflanzen. Übertragen lässt sich ein solches Vorgehen auch auf andere Ackerböden.
Schon technischer rückt das Strip-Till-Verfahren dem Acker zu Leibe. Hierbei lockert der Landwirt den Boden nur entlang der späteren Saat- und Pflanzreihen. Die übrige Fläche, etwa zwei Drittel, bleibt unbearbeitet. Auf der Fläche verbleibende Reste der Vorfrucht dienen als düngender und vor Erosion schützender Mulch. Im Modellvorhaben Streifenbearbeitung erprobt seit über zwei Jahren der Kreisbauernverband Ostprignitz-Ruppin mit Mitgliedsbetrieben das Strip-Till-Verfahren.
Diese Technik erprobt derzeit ebenso das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) auf den eigenen Versuchsflächen gemeinsam mit drei ökologisch wirtschaftenden Gärtnereien. Das Projekt BioStripPlant (folgen Sie zudem diesem 2. Link) wird von der agrathaer GmbH verantwortet. Das Ziel ist, Strip Till in Kombination mit Mulch, Untersaaten und einer Unterfußdüngung im Bio-Gemüseanbau einzusetzen.
Mit in den Praxisbetrieb eingegliederten Maßnahmen beschäftigt sich ein weiteres Projekt am IGZ. Zusammen mit der Kaufland Stiftung, dem Gemüsering Stuttgart und der Analytica Alimentaria arbeiten sie im Projekt „Gesunder Boden – Gesunde Pflanzen – Gesunde Lebensmittel“. Über ein Monitoring zu Biodiversität, Humusgehalt und Bodenfruchtbarkeit von Produktionsstandorten von Gemüse und Obst, erforschen die Beteiligten Maßnahmen für mehr Bodenfruchtbarkeit durch Humusaufbau und zur Erhöhung der Biodiversität im Freilandanbau von Brandenburg. Neben organischen Düngern und Mikronährstoffen werden auch streifgenweise neue Zwischenreihenbegrünungen oder Calciumdünger erprobt. Im Jahr 2024, also zwei Jahre nach dem Einsatz verschiedener Maßnahmen, steht eine erneute Beprobung der Flächen zur Erfolgsmessung an. Der Erfolg der Verstetigung der einzelbetrieblichen Maßnahmen wird analysiert und dokumentiert und das gewonnene Wissen allgemein zugänglich gemacht. Weitere IGZ-Projekte für den Boden, die aber stärker Richtung Nährstoffmanagement gehen, sind pHBB, GeoSenSys und TONIA. Dass sich auch das Nährstoffmanagement auf die Bodenstruktur auswirken kann, wurde auch anhand von Penetrationswiderstandsmessungen in verschiedenen Dauerfeldversuchen der Humboldt-Universität zu Berlin gezeigt.
Ertragssicherheit und Kohlenstoffsenke
Schon in den 60er Jahren griffen Agrarwissenschaftler tiefer in den Boden ein – mit der partiellen Krumenvertiefung (pKV). „Bereits Ende der 1950er bis in die späten 1980er Jahre wurde im ehemaligen DDR-Forschungszentrum für Bodenfruchtbarkeit (FZB, jetzt: ZALF) pKV-Pflüge entwickelt“, schreiben die Wissenschaftler Michael Sommer und Jürgen Augustin im ZALF-Jahresbericht 2019. Diese Technik griffen das Thünen-Institut für Agrartechnologie (TI-AT) und des Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) auf. Ging es damals um das Erhöhen der Ertragssicherheit, ist nun die Kohlenstoffsenke das Ziel. In dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekt Krumensenke untersuchen die Institute von 2019 bis 2023 die Effekte bei der Vermischung von Unterboden mit dem Oberboden. Diese partielle Krumenvertiefung hat folgenden Hintergrund: Naturgemäß kohlenstoffarmer Unterboden wird durch besonders tiefes Pflügen nach oben geholt. In die so entstehenden Furchen, fällt dagegen der kohlenstoffreichere Oberboden. Dessen Kohlenstoff soll dort, so die Idee, erhalten, also dauerhaft gespeichert bleiben. Der nach oben geholte Unterboden wiederum verliert nun einen Teil seines Kohlenstoffs, reichert ihn im Laufe der Zeit aber um das Vielfache wieder an. Zweiter Vorteil des Verfahrens: Das Tiefenpflügen bricht Verdichtungshorizonte auf, und Pflanzenwurzeln erschließen sich dadurch Nährstoffe und Wasser im Unterboden. Zugleich verhindert der in die Tiefen eingerieselte humosere Oberboden eine erneute Rückverdichtung. In dem aktuellen ZALF-Folgeprojekt Carbon Tillage wird nun sogar ein spezieller Pflug entwickelt, der durch besonders tiefes Pflügen eine CO2-Senkenwirkung erzielen soll. Projektpartner ist deshalb auch der Pflug-Hersteller Lemken, der eine eigene Baureihe plant. Jedes zweite Pflugschar der aktuellen Pflugneuentwicklung ist über 30 Zentimeter lang und greift entsprechend tiefer in den Acker. Wenn der Carbon Farming-Pflug in der Praxis Anklang findet, kann sich die Projektverantwortliche bei Agrathaer Nadine Feuerbach vorstellen, „dass Dienstleister alle zehn Jahre die Äcker bei Landwirten entsprechend bearbeiten“.
Sozusagen eine Erweiterung der Krumenvertiefung ist das Einbringen von zusätzlichem organischen Material. Damit arbeitet das Projekt Soil3 innerhalb von BonaRes. BonaRes ist ein Forschungsprogramm aus derzeit zehn interdisziplinär geführten Projektverbünden. Es geht im Kern um die nachhaltige Nutzung des Bodens. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Initiative will helfen, den Boden weiter zu erforschen, aber auch nach Wegen suchen, dessen Produktivität zu steigern und ihn nachhaltiger zu bewirtschaften.
Einen ganz konkreten Weg schlägt das Projekt Soil3 ein. Die Grundidee: Im Unterboden können „enorme Ressourcen an Nährstoffen und Wasser“ stecken, wie es auf der Projekt-Webseite heißt. Diese sind für die Wurzeln der Ackerkulturen jedoch oft nicht erreichbar, etwa wegen Verdichtungshorizonten. Damit die Wurzeln den Unterboden nun erreichen, wird der Boden einmalig mehrreihig tief gelockert, anschließend bringen die Projektbeteiligten organisches Material ein. Eine Grabenfräse öffnet dafür 60 Zentimeter tiefe Gräben, „die mit Kompost, Grünschnitt, Stroh oder Sägespänen verfüllt werden“. Dadurch werden Nährstoff- und Wasserspeicher geschaffen, der Boden und dessen Ertragsfähigkeit verbessert. Verglichen wird diese Technik mit Flächen, deren Bodenqualität und Ertragssteigerung mit tiefwurzelnden Vorfrüchten wie Luzernen, also einer biologischen Unterbodenmelioration, verbessert wurde.
Projektverantwortlich ist vor allem die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Partner sind unter anderem die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und das ZALF. Beide Einrichtungen beteiligen sich insbesondere mit ihren brandenburger Versuchsstandorten an Soil3. Das Einmischen mit organischem Material gelingt „durch das gezielte Zuführen in den zurückfallenden Erdstrom direkt hinter dem Injektionsschar“, so die Webseiteninformation. Da das Projekt seit dem Jahr 2015 läuft, liegen bereits zahlreiche Ergebnisse vor.
Die Idee, Materialien streifenweise zu meliorativen Zwecken einzubringen, besteht grundsätzlich schon seit Jahrzehnten. Unter anderem aber vom Soil3-Projekt ließen sich Wissenschaftler vom Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP) inspirieren. Denn Ende 2021 startete deren Projekt DigiRoot. Auch hier bringt das Projektteam Kompost streifenweise in den Unterboden (hier finden Sie einen weiterführenden Artikel sowie Film), um so in erster Linie einen zusätzlichen Wasserspeicher für die Pflanzen und deren Wurzeln einen Zugang zum Unterboden zu schaffen. Eingebracht wird das organische Material mit einem Schlepper mit angebautem Tiefenmeißel. An dessen Dreipunkt-Aufhängung ist ein ausrangierter Salzstreuer montiert. Aus diesem rieselt der Kompost über ein Rohr direkt hinter den Meißel in den geöffneten Boden. Das kleinere Projekt DigiRoot unterscheidet sich zu Soil3 in technischen Details und durch die Entwicklung eines digitalen Flächen-Managements mit Hilfe von Drohnen. Denn mit einer Multispektraldrohne dokumentiert der Projektpartner Pix4D den Wachstumsverlauf der Pflanzen auf den Kompoststreifen und wertet diese Daten aus. Die gewonnen Erkenntnisse fließen in eine Software, über die Bodenverdichtungen auf dem Acker identifiziert werden können. Am Ende sollen so Daten direkt zu einem Schlepper gelangen und dem Landwirt zeigen, wo Kompost in den Boden gebracht werden sollte. Projektverantwortlich ist die Versuchsstation Berge des IASP, weitere Praxispartner sind eingebunden.
Allen Techniken zur Bodenverbesserung gemein, die derzeit in Brandenburg erforscht werden, ist: Sie benötigen Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Vor allem mit kontinuierlichem Anwenden der Maßnahmen wird sich ein Erfolg einstellen. Wie lange aber der so verbesserte Zustand der Böden bestehen bleibt, ist oft noch Gegenstand aktueller Forschung. Dazu kommt eine ganz aktuelle Einschränkung: Die neue Bodenschutzverordnung (BBodSchV) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) – gültig seit August 2023 – spricht teils gegen einige der genannten Techniken. Auch hier besteht noch Abstimmungsbedarf.
Text: Koordinierungsstelle am ILU in Zusammenarbeit mit den Versuchsstellen in Brandenburg/November 2023