Trocknen auf dem Igelrücken
Der Luzerne-Feldtag von Landwirtschaft im Dialog stellte den Hochschnitt vor

Wenn man über die Luzerne spricht, fällt oft der Begriff „Königin unter den Futterpflanzen.“ Die Luzerne liefert einen großen Anteil an hochwertigem Eiweiß und Calcium und ergibt deshalb ein solides Futter für Milchvieh, aber auch Schweine. Wie passt die Pflanze nach Brandenburg?

Weil die Landwirtschaft zunehmend weg will von Kraftfutter-Zukäufen, die Luzerne das Bodenleben anregt und durch Stickstoffbindung mit Knöllchenbakterien den Boden düngt, zudem die Eiweißversorgung aus heimischer Produktion gesteigert werden soll, kommt diese Leguminose wieder ins Gespräch. Die Luzerne kann also helfen, den heimischen Futteranbau zu erhöhen und Mineraldünger einzusparen. Zudem übersteht die Luzerne dank langer Pfahlwurzel auch Trockenfasen.

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Deshalb machte Landwirtschaft im Dialog diese Pflanze zum Thema. Und „Es sind mehr gekommen, als erwartet“, drückte Vanessa Paap, zuständig für Wissenstransfer beim Landesbauernverband Brandenburg (LBV), ihre Freude über den Besucherandrang aus. Rund 50 Männer und Frauen aus der Landwirtschaftsbranche waren am 28. September auf das Gut Neu Sacro gekommen, wo der Landesbauernverband und die Koordinierungsstelle am ILU, die das Forum Landwirtschaft im Dialog bilden, zum Luzernen-Feldtag geladen hatten.

Das Gut beschäftigt sich aus einem sehr einschneidenden Grund mit Luzerne, berichtete Betriebsleiter Bernd Starick: „Wir sind eingeklemmt zwischen Tagebau und der Grenze zu Polen“. Grub der Kohlebagger früher die Äcker weg, hilft die Luzerne jetzt, die Böden wieder fruchtbar zu gestalten. Starick ist Vorstand der Bauern AG Neißetal, die Gut Neu Sacro verwaltet und bewirtschaftet. Seit 23 Jahren arbeitet der Betrieb mit dem Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaft (FIB) an der Rekultivierung dieser ehemaligen Tagebauflächen. Der Betrieb handelt hierbei einerseits als Flächeneigentümer, andererseits als Dienstleister. „Wenn wir unsere eigenen Flächen wieder in Ackerland verwandeln, sind wir für Erfolg und Qualität auch selbst verantwortlich“, erklärt Starick die Vorteile dieser Doppelrolle. „Früher wurde Acker an den Tagebau abgegeben, der kommt jetzt stückweise wieder zurück.“ Bei der Rekultivierung setzen die FIB-Wissenschaftler und die Landwirte stark auf die Luzerne, die nach der Wende zunächst aus dem Betrieb fast verschwunden war. Die Luzerne hilft jedoch über ihr tiefgreifendes Wurzelwerk, den Boden wieder auf Trab zu bringen.

Die Flächengrößen, die mit Luzerne bestückt sind, schwanken im Laufe der Jahre um die 400 Hektar, aber „nächstes Jahr erreichen wir die endgültig größte Ausdehnung“, weiß der Betriebsleiter. Bei solchen Flächen kommen natürlich einige Tonnen Luzerne pro Jahr zusammen. „Da stellte sich uns generell die Frage, was machen wir mit so viel Luzernen?“ Die Antwort darauf fällt erwartbar aus: Sie geht in die Tierfütterung. Der Betrieb versorgt mit 3.200 Tonnen Mastschweine, Milchvieh und Jungrinder – die andere Hälfte wird zu Biogas. Doch der Weg zum Tier ist mit einem Kniff verbunden – dem Luzerne Hochschnitt. Die Idee entstammt einem Projekt des Bundesforschungsinstituts ZALF aus Müncheberg, wurde an das Gut Neu Sacro herangetragen und fiel dort auf fruchtbaren Boden.

Blätter und Faser

Die Grundüberlegung beim ZALF war, Luzerne doppelt zu nutzen. Einmal die Blattmasse als Viehfutter und zum zweiten die Pflanzenstängel. Deren hohen Faseranteil wollten die Wissenschaftler – federführend hier Dr. Johann Bachinger und Dr. Klaus Gutser – zu biobasierten Baustoffen für die Autoindustrie weiterentwickeln. Während bei den Baustoffen noch geforscht werden muss, lässt sich die Idee dennoch umsetzen. Ab einer Wuchshöhe von 50 Zentimetern schneidet das Team um Bernd Starick die Luzerne auf einer Höhe von zwölf bis 18 Zentimetern ab.  Zum Einsatz kommt hier ein Doppelmesser-Mähwerk von BB-Umwelttechnik. Das Modell Seco Duplex 1000 F, in Schmetterlings-Ausführung, hängt im Dreipunkt eines Fendt 718, der dafür eigentlich überdimensioniert ist. Denn das Mähwerk benötigt wenig Leistung, zirka einen Liter pro Hektar gibt Starick als Dieselverbrauch an. Zudem kann der Schlepper zügig über das Feld gefahren werden, was die Feldtagsteilnehmer während einer Praxisvorführung am Nachmittag selbst begutachten konnten. Erst nach 200 Hektar und auch mehr müssten die Messer nachgeschliffen werden, erklärte Starick – schließlich schneidet das Schneidwerk weit über dem Boden, dessen Steinchen sonst Schärfe kosten. Zwar liegen die Anschaffungskosten für das Mähwerk bei 40.000 Euro und eine spezielle Schleifmaschine bei 10.000 Euro. Laut Starick dennoch eine lohnende Anschaffung: “Wir haben ein Kilo je Kuh und Tag Getreideschrot eingespart und ein halbes Kilo Rapsschrot bei der Fütterung.“

Luft von unten

Dieser erste Schnitt ist Mitte bis Ende Mai fällig, je nach Wuchsdynamik der Luzerne. Rund 35 Tage später folgt der zweite Schnitt. Die Mahd bleibt jeweils auf den hohen Stoppeln, auch Igelrücken genannt, liegen. „Hier bekommen die Blätter Luft von unten, Sonne und Luft von oben“, erklärt Starick. Die Blätter welken somit rasch an und verlieren Wasser – wichtig für das spätere Silieren. Weiterer Vorteil: „Kein Blatt wird zerdroschen, kein Ertrag geht verloren“, da das Wenden des Schnittguts entfällt. Wird die Blattmasse nach 24 Stunden oder einigen Tagen Trocknungszeit abgefahren, zeigt sich ein weiterer Pluspunkt: Ohne Stängel passt mehr Blattmasse auf jede Fuhre, das spart drei bis vier Arbeitstage, die in der Getreideernte gebraucht werden. „Vier Luzerne-Ernten streben wir an. Ein Aufwuchs wird allerdings gemulcht und bleibt auf dem Feld, für die Bodenverbesserung“, umreißt der Betriebsleiter den Jahreszyklus. Zudem soll ein Luzernebestand durchaus auch einmal blühen. Zwei Mal im Jahr werden die verbliebenen Stängel vom Feld genommen – mit einem Trommelmähwerk auf acht Zentimeter gemäht.

Ein Großteil der Luzerne wird siliert. Auch hierbei überzeugt der Hochschnitt. Denn der Großteil des Eiweißes steckt in den Blättern. Wandern vor allem sie in die Silage, lässt sich so mehr Eiweiß pro Futtereinheit konzentrieren, gibt Starick zu bedenken. „Das spart auch Silageraum“. Generell gilt die Konservierung von Luzerne als schwierig. Die Pflanze enthält kaum den für die fermentierenden Bakterien nahrhaften Zucker, verglichen zu Luzernegras. Deshalb ist das Vorwelken von Luzernen auf dem Feld sinnvoll, um den Zucker schon in der Pflanze aufzukonzentrieren. Das Gut Neu Sacro hilft sich zudem mit der Zugabe von Melasse und einem speziell abgestimmten Siliermittel.

Stängel und Luzernen, die nicht für die Fütterung taugen, gehen in die betriebseigene Biogasanlage. Die Gärreste kommen als Dünger zurück aufs Feld.

Luzernen brauchen viel Wasser

Die Rekultivierung der Rohböden (kiesführender Kipp-Kalklehmsand) einer ehemaligen Tagebaufläche startet das Gut zunächst mit großkörnigen Leguminosen und Winterroggen, der gut mit solchen chaotischen Bodenzuständen zurechtkommt und für den Ackerbau vorbereitet. Nach zwei Jahren folgen vier Jahre Luzerne, wobei das zweite das wichtigste Hauptnutzungsjahr darstellt, denn hier zeigen sich die größten Wurzeldichten. Den Abschluss der Fruchtfolge stellt Mais.

Gesät wird die Leguminose eigentlich im Frühjahr, das sei „meiner Erfahrung nach auch vorzuziehen“, so Starick. „Weil aber bei uns zunehmend Frühjahrstrockenheit herrscht“ orientiert sich der Betrieb zumeist im Herbst auf die Aussaat, 25 Kilo pro Hektar gibt Bernd Starick als Obergrenze für die Saatmenge aus. Es sei wichtig, schnell einen dichten Bestand zu erzeugen. Nachsäen sei in der Etablierungsphase möglich, wenn der Bestand aber steht, eher schwierig. Eine Impfung des Bodens mit Knöllchenbakterien hält Starick für nicht erfolgsentscheidend, auch wenn andere Fachleute das empfehlen. Günstig dagegen sei ein tiefgründiger Acker, eine Tiefenlockerung lohne sich.

Fehlende Niederschläge allerdings brächten Probleme – so wie im Jahr 2017, als hohe Temperaturen und wenig Niederschlag die Ernte minderten. Denn Luzernen brauchen eher viel Wasser, das sie sich dank tiefreichender Pfahlwurzel gern aus unteren Schichten ziehen. So „säuft die Luzerne den Boden leer“, so die Erfahrungen des Betriebsleiters. Wenn dort aber das Wasser fehle, benötige sie es von oben. Das konnte Bernd Starick dann auch ganz praktisch zeigen. Denn bei der Praxisvorführung am Nachmittag besuchte die große Gruppe aus Fachleuten eine rekultivierte Tagebaufläche. Dort standen Luzernen, mit „sichtbarem Wassermangel“.

Weil der Regen im Sommer eben oft nicht mehr üppig ausfiele, sollte auf gleichem Standort zehn Jahre am Stück keine Luzerne angebaut werden, damit sich die tieferen Bodenschichten wieder mit Wasser anreichern können. In diesem Fall setzt der Betrieb auf Getreide.

Ergebnisse aus den ZALF-Projekten FUFAPRO (Futter-Faser-Protein), MEFAP (Mehrfachnutzung Rohprotein und Rohfaser) und HEILU stellte Dr. Klaus Gutser vor. Er betonte die Vorteile von Luzernen wie den hohen Proteinanteil von 33 Prozent – deutlich mehr als Weidelgras mit bis zu 19,5 Prozent – und die enorme Stickstofflieferung der Wurzeln von 145 Kilogramm pro Hektar. Zudem gebe es wegen deren hohen Konkurrenzkraft kaum Probleme mit Unkräutern. Mit der Hochschnitttechnik ließen sich „bis zu 50 Prozent Zusatzfutter sparen“ so Gutser. Allerdings gebe es zum Energiegehalt von Luzernen noch einigen Forschungsbedarf.

Text/Bilder Julian Delbrügge (Koordinierungsstelle am ILU)