Alles, was Landwirtschaft ausmacht
Der LiD-Parzellentag 2024
Es wogt blaublühend – Öllein in voller Pracht. Im Parzellenstreifen daneben steht Industriehanf, noch weiter wenige Jahre alte Pappeln – schon vier Meter hoch. Davor lauscht eine Menschentraube dem jeweiligen Referenten, der über die Vorzüge und Chancen der jeweiligen Kultur für Brandenburg informiert. Es ist wieder Infotag an den Demo-Parzellen, oder schlicht „Parzellentag“, wie er von den meisten Landwirten in Brandenburg genannt wird. Erdacht und konzipiert wurde er nun zum vierten Mal von „Landwirtschaft im Dialog“. Diese Kooperation aus Koordinierungsstelle am Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) mit dem Landesbauernverband Brandenburg (LBV) organisiert die Veranstaltung jedes Jahr auf dem Gelände des Märkischen Ausstellungs- und Freizeitzentrums (MAFZ) Erlebnispark Paaren – dieses mal am 20. Juni 2024.
Einmaliges Konzept
Das einmalige am Parzellentag: Alles, was die Landwirtschaft ausmacht, findet an einem Ort statt. Während auf der einen Seite ausgewählte Kulturen auf rund 20 Parzellen wachsen, stehen gegenüber die Stände der Aussteller und Verarbeiter. So kommen Landwirte mit den Abnehmern ihrer Kulturen zusammen, können über derzeit gefragte Kulturen sprechen, Wünsche der Verarbeiter ausloten und eigenen Ideen teilen. Zusätzliche Erkenntnisse bringen Forschende verschiedener Institute mit ein, die neuestes Fachwissen zu Roggen & Co. liefern.
Unter anderem Schwarzkümmel, Lupine und Braugerste, sogar Nachtkerze gediehen auf den kleinen Flächen. Gekommen zum MAFZ waren nicht nur Landwirte, die wissen wollten, wie sie ihr Feldfruchtangebot erweitern können. Angereist waren zum Beispiel auch Vertreter mehrerer Ölmühlen, ein Bäcker, ein Bierspezialist, Unternehmen, die Hanf und Raps verwerten und ein Netzwerk, das die Lupine vermarktet.
Denn ein Ziel des Parzellentages ist es auch, allen Beteiligten Nischenkulturen zu zeigen, die Ertrag auf Brandenburger Böden bringen und in der Region nachgefragt sind. So lassen sich Anbauer-Vermarkter-Beziehungen schaffen, die stabile Preise und einen fairen Handel ermöglichen, sowie die Region stärken.
Ein solcher Verarbeiter mit Ambitionen ist Felde Fibres. Das Unternehmen verarbeitet Nutzhanf zu Textilfasern und baut derzeit ein Werk in Neuruppin – im Herbst 2024 soll es losgehen. Antonia Schlichter betreut für das Unternehmen Landwirte beim Vertrags-Hanfanbau. Sie stellte die Hanfsorte Mona 16 vor, die erst seit 2023 auf dem Markt ist. Felde Fibres könne auf 2000 Hektar Anbaufläche in Brandenburg zurückgreifen. Den hiesigen sandigen Boden könne die Wurzel gut erschließen und so die Pflanze aus großen Tiefen mit Wasser versorgen. Zudem hinterließen die verrottenden Wurzeln Kapillare im Boden für den Wassertransport. „Der Hanf ist anspruchslos“, so Schlichter. Allerdings ist die Textilerzeugung daraus anspruchsvoll, deshalb „geben wir unseren Partnerlandwirten eine konkrete Anbauempfehlung“. Sommerhanf eigne sich für die Doppelnutzung, also Körner- und Strohgewinnung, und Winterhanf als Zwischenfruchtanbau, der im Juli gesät und bis zum März geerntet würde. Vorteil: Die Blätter bleiben als Organik auf dem Acker und die Röste im Werk gelingt gleichmäßiger.
Gleichmäßiger kann auch der Raps gelingen – bei der Saat: Denn es gebe „einen Trend zur Einzelkornsaat“ so Konrad Naumann von Saatguthändler Limagrain. Vor Ort hatte das Team der Versuchsstation Berge, die jedes Jahr die Parzellen anlegen und pflegen, zwei Methoden angesetzt: eine Einzelkornsaat mit 50 Zentimeter Reihenabstand und eine Drillsaat mit zwölf Zentimeter Reihenabstand. Der Clou: Ein Unterschied im Bewuchs war nicht sichtbar. Der Grund: Die einzeln gesäte Pflanze konkurriert weniger um Wasser und Nährstoffe. Wir können „bis auf 25 Körner runtergehen, ohne dass wir nennenswerte Ertragsverluste erleiden“, erklärte Naumann. Für Landwirt Karsten Twietmeyer, der die Einzelkornsaat seit einigen Jahren in seinem Brandenburger Betrieb umsetzt, ist weniger die Saatgutersparnis entscheidend, vielmehr die Widerstandsfähigkeit der kräftigeren Einzelpflanze, die besser Schädlingen trotzt. Im trockenen Brandenburg zudem „ist die Variabilität der Einzelpflanze auch gefragt“ und das Einzelkorn zeige einen besseren Aufgang.
Neben dem Klassiker Raps widmete sich der LiD-Parzellen auch dem Roggen. Eine Pflanzeninnovation zeigte Bernd Hackauf vom Julius Kühn-Institut (JKI). Wie schon im vergangenen Jahr stellte er den Kurzstrohroggen vor. Die ersten Halbzwerge seien im Jahr 2022 beim Bundessortenamt angemeldet worden, aktuell stecke der Roggen im zweiten Wertprüfungsjahr, für das Jahr 2026 hoffe er auf eine Zulassung. Die sollte sich lohnen angesichts der guten Nachrichten zu dieser Neuzüchtung. Tatsächlich litt der Roggen im Jahr 2022 unter Dürre, war aber „an sieben Standorten in Deutschland und Polen in seiner Ertragsleistung besser, als bei guter Wasserversorgung“, so Hackauf. Ein Grund seien die besonderen Eigenschaften des verwendeten Kurzstrohgens. Auch wurzele diese Roggenzüchtung ebenso tief wie die klassische Variante. Die Tatsache, dass der gedrungene Kurzstrohroggen weniger anfällig für Lagerschäden ist, hat sehr praktische Bedeutung. Die Traditionsbäckerei Plentz verbackt seit Jahren Champagnerroggen, ein kooperierender Landwirt aus der Nachbarschaft liefert dafür jährlich rund 25 Tonnen des Getreides. Jedoch, berichtetet Maximilian Schöppner von Plentz , „dass der Champagnerroggen lange Halme hat und wir mit stark wechselnden Ernteerträgen zu kämpfen haben“. Sprich, kurze Halme schützen vor manchem Ertragsverlust.
Vor Wasserverlust schützt Agroforst: Im zweiten Jahr nun entwickeln sich Agroforstsysteme auf drei Dauerparzellen am MAFZ. Thomas Domin setzte in seinem Betrieb früh auf Gehölze im Acker. Sie senkten die Windgeschwindigkeiten, damit die Winderosion und verringerten so auch die Verdunstung, erklärte der Landwirt und Vorstand im Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF). Die schnellwachsende Pappel bringe hier schnell Wirkung auf die Fläche.
Wer die Nische sucht, wird beim Parzellentag fündig: Birgit Kressner vom Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) stellte aktuelle Versuche zum Schwarzkümmel vor. Die Anregung dazu kam von einem Landwirt in der Gemeinde Diedersdorf, der selbst Öle vermarktet und gerne Schwarzkümmelöl aus eigenem Anbau anbieten würde. Leider wurde die Kultur in ihrer Parzelle etwas zu spät gesät, hatte sich somit kaum entwickelt. Das passte zu Kressners Versuchserfahrungen: Schwarzkümmel habe zwar geringe Bodenansprüche. Er sei aber mit seiner langen Keimruhe von zwei bis drei Wochen und langsamer Jugendentwicklung von bis zu sechs Wochen anfällig für Unkräuter. Weil auch gerne Vorkulturen stören, mahnt Kressner an: „Ich muss mir genau überlegen, auf welchen Acker gehe ich damit.“ Gut für frühe Unkrautunterdrückung sei eine Getreideart als Vorkultur, ebenso späteres Wintergetreide, weil es im Oktober gesät würde, wenn die Schwarzkümmel-Ernte anstünde. Der Striegel eigne sich mit am besten zur Pflege, und wenn die Pflanze rund 30 Zentimeter groß ist, gelinge die Ernte mit dem Mähdrescher.
Ebenso gefragt bei Ölmühlen: die Nachtkerzen. Auch die Blätter beherbergen interessante Stoffe, weshalb das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) daran forscht, diese Pflanze für den Anbau nutzbar zu machen, wie Katja Witzel erklärte. Man suche noch „interessierte Anbauer“ für die Zusammenarbeit. Nachtkerzen überzeugen durch geringe Ansprüche, hohe Trockentoleranz und Selbstaussaat, „was sie auch als Zwischenfrucht interessant macht.“ Das zeigt auch die Fläche vor Ort. Hier ging auf der geplanten Parzelle keine Pflanze auf, weil zu früh gesät – die Spätsommeraussaat wird empfohlen. Dafür aber standen die Pflanzen auf einer Agroforst-Nachbarparzelle dicht an dicht. Aktuell arbeitet das IGZ mit der Gemeinen Nachtkerze (Oenothera biennis), ein diesbezüglicher Saatgutvertrieb, auch verschiedener Sorten, müsse erst noch aufgebaut werden, so die Wissenschaftlerin.
Ebenfalls ein Projekt stellte Annika Behler vom Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte. (IASP) vor. Gemeinsam mit dem Institut Fraunhofer IGP und dem Drohnen-Unternehmen pix4D wollen sie ein automatisiertes System entwickeln, das die Stickstoffversorgung bei Pflanzen erkennt. Grundlage sind Multispektralbilder, aufgenommen von Drohnen, aus denen sich anhand des Chlorophylls der Blätter die Stickstoffversorgung ermitteln lässt. Am Ende soll das Projekt „AutoFenster“ eine Düngeempfehlung bereitstellen.
Buchweizen und flüssiges Mehl
Nach Ende des Parzellenrundgangs trafen sich die Besucher unter Bäumen wieder – zu einem beschaulichen Essen und weiteren Fachgesprächen. Diesen Vernetzungsmarktplatz nutzten ein paar Aussteller, um sich und ihre Produkte vorzustellen:
Raps taugt zudem zu mehr als zur Öl- und Tierfutterproduktion. Canola Fiber ist ein neues Projekt von jungen Wissenschaftlern. Ziel ist, die Fasern aus den geernteten Rapsstängeln für die Herstellung von Kleidung zu nutzen.
Die bereits genannte Bäckerei Plentz stellte Maximilian Schöppner vor. Weil Supermärkte längst die Nahversorger der Region seien, müsste eine Bäckerei das Besondere bieten. Deshalb sein Aufruf an die Landwirte: „Wenn sie etwas Besonderes Anbauen, kommen sie gerne auf uns zu.“ Er suche neue Rohstoffe, um sie zu ein bis zwei Innovationen im Jahr zu verbacken. Zum Beispiel sei ihr Ackerbohnenbrot „total durchgestartet“, sowie Flakes und Brötchen aus Ackerbohne.
Eine Kultur, die ebenfalls bald durchstartet, ist Buchweizen: Martin Almendinger berichtete vom ILU-Projekt Buchweizen und interviewte die Landwirte für eine erste Umfrage zu dieser Ackerfrucht. Zweck des Projekts ist, ein Netzwerk aus Anbauern, Schälmühlen und verarbeitenden Industrien aufzubauen, um den Anbau dieses Pseudegetreides wieder „anzukurbeln“, wie Almendinger erklärte. Denn, Buchweizen passt gut auf nährstoffarme, sandige Böden – also nach Brandenburg.
Tim Gräsing stellte sein startup ValueGrain vor. Er will den Treber – also vorrangig die Gerste, die nach dem Brauen übrigbleibt – aus Brauereien nutzen . „Wenn wir sehen, wieviel Arbeit in die Gerste gesteckt wird, ist es schade, wenn so ein hochwertiges Lebensmittel nachher nicht in den humanen Zweitgebrauch kommt.“ Also entwickelte er mit Partnern ein Verfahren, bei dem der Treber direkt nach dem Brauereiprozess in „flüssiges Mehl“ verwandelt wird. Aktuell will ValueGrain damit im Ausland expandieren. Maximilian Schöppner von der Bäckerei Plentz reagierte prompt auf den Vortrag und bot Gräsing an, ein Brot mit seinem flüssigen Mehl zu backen. Da hatten sich zwei gefunden.
Rebecca Thoma stellte das Leguminosen Netzwerk vor. Das Projekt will mit Demonstrationsbetrieben den Anbau, aber auch die Verarbeitung von Erbse, Lupine und Co darstellen. Lupine ist vielseitig nutzbar – unter anderem als Kaffeealternative, Brotzutat oder als Proteinisolat – wichtig für Fleischersatzprodukte.
Neben der Landeria UG, die Speise- und Duftöle herstellen, zeigten auch die Ölmühlen Katerbow und Kanow-Mühle Spreewald ihre Produkte. Alle Ölmühlen pressen Öle aus Hanf, Schwarzkümmel und Öllein und freuen sich über regionale Rohstoff-Anbieter.
Und damit schließt sich der Kreis. Der Parzellentag konnte wieder einmal viele Akteure zusammenbringen und zeigen, dass regionale Kreisläufe und Wertschöpfungsketten möglich sind. Engagierte aus Landwirtschaft, Verarbeitung und Forschung gibt es dafür in Brandenburg genug.