Dienstreise zum Teilvorhaben „Bekämpfung mikrobieller Belastungen in großskaligen Photobioreaktoren“ im Verbundprojekt „Optische Softsensorik von Algenkultivierungen in großskaligen Photobioreaktoren – Optimierung durch Prozessführung und Bekämpfung mikrobieller Belastungen (optiPBR)“ ILU e.V., FKZ: 13N15854

Vom 7. bis 8. Mai 2024 fand nach 2021 das zweite D-A-CH Algen Summit in der schönen, historischen Stadt Bern statt. Das ILU verantwortet derzeit selbst ein Algen-Projekt, genannt „Bekämpfung mikrobieller Belastungen in großskaligen Photobioreaktoren“ im Verbundprojekt „Optische Softsensorik von Algenkultivierungen in großskaligen Photobioreaktoren – Optimierung durch Prozessführung und Bekämpfung mikrobieller Belastungen (optiPBR). Unter Federführung des Agrarforschungs-Campus Agroscope Bern-Liebefeld organisierten die Algen-Netzwerke und -Fachgesellschaften der drei DACH Länder (Deutschland, Östereich, Schweiz) eine wissenschaftliche Tagung mit Vorträgen, Postern, Präsentation technischer Modelle und Fachexkursionen. Das perfekt organisierte Programm ließ auch etwas Zeit für Diskussionen und zum Netzwerken beim abendlichen Fußmarsch auf den schönen, leider vernebelten Highland Gurten.

Die Beiträge spiegelten die Vielfalt und Komplexität der Thematik Algen, das innovative Potential und die Kreativität der Wissenschaftler und Entwicklerinnen. In anschaulicher und kompakter Form wurde ein Überblick über die aktuellen Entwicklungen in der Grundlagenforschung, in der Algen-Lebens- und -Futtermittelproduktion, bei der Defossilisierung durch Algen, bei der Stammverbesserung durch Bioengineering sowie bei den Kultivierungs- und Downstream Prozess-Technologien gegeben.

Das ILU präsentierte zwei Algen-Projekte.

Neben dem Projekt optiPBR, vorgestellt von Regina Storandt, präsentierte Stephanie Schönfelder vom ILU AutoPro: Ein automatisierter Bioprozess zur Kultivierung der Mikroalge Galdieria sulphuraria für eine verbesserte Nutzung von Aquakultur Nebenströmen.

Fabian Wahl, Dezentrale Produktion von nährstoffreichen Futtermitteln auf landwirtschaftlichen Betrieben; Agroscope, gab einen beeindruckenden Einblick in den komplexen Ansatz der Algenforschung im Agroscope-Campus. Bei der Exkursion am 2. Tag im Institut und Technikum konnte davon einiges besichtigt und diskutiert werden.

Ausgehend vom globalen Ziel der Schweiz, aus ökologischen Gründen den Import des Soja-Protein-Futters zu reduzieren, ist eine Strategie, die Nutzung von Mikroalgen. Dabei konzentrieren sich die Wissenschaftler unter Nutzung von Abwärme- und Luft, nährstoffreichen Reststoffen und unproduktiven Flächen, auf eine angepasste dezentrale Kultivierung auf Bauernhöfen und die Verfütterung der nativen Algensuspension. Für Milchbetriebe zum Beispiel wird eine Verwertung der Molke, die aus der Molkerei zurückgeführt werden könnte, als Nährmedium untersucht.

Zunächst wurden regionale Algenstämme auf den Bauernhöfen gesammelt, isoliert, taxonomisch und genetisch bestimmt und eine Stammsammlung aufgebaut.

Mit diesen und Standard-Stämmen werden Wachstumsversuche und Inhaltsstoff-Analysen, scale up im Labor, Technikums- und Gewächshaus-Maßstab zum Beispiel mit der Schweizer Chlorella vulgaris FAM 27959 und einer kälteadaptierten Tetradesmus obliquus durchgeführt. Derzeit gibt es zwei 170-Liter-Pilotanlagen, ein mobiler 1.200-Liter-Reaktor ist im Bau, ein 50 Kubikmeter Reaktor ist geplant und bis zum Jahr 2030 sollen 30 Farmen am Projekt teilnehmen.

Olaf Kruse (Uni Bielefeld) zeigte, dass sein Team mit den inzwischen verfügbaren leistungsfähigen molekularen Werkzeugen stabile Mutanten erschaffen konnte, die mit erhöhter Effizienz Zell-Produkte wie Pigmente, Polyamine, Diterpene … synthetisieren können. Mit der grünen Zellfabrik Chlamydomonas wurde der Vorsprung von Bakterien und Hefen hinsichtlich der Konzentration der Zielprodukte eingeholt. An der Synthesegeschwindigkeit wird gearbeitet. (O. Kruse, Bioengineering microalgae for their application as green cell factories).

Ein Konsortium von Wissenschaftlerinnen aus Trebon (Tschechien), Wien und Wels (Östereich) nutzen UV-Mutagenese, um einen Synechocystis-Mtutanten zu gewinnen, der effektiv in kommunalen Abwässern wächst und das biologisch abbaubare Polymer Polyhydroxybutyrate (PHB) synthesiert. Mit 20 Prozent PHB in der Zelltrockenmasse werden die Werte von Bakterien (70 Prozent) nicht erreicht, aber es werden keine Zucker als Nährmedium benötigt.

Kontaminationen wurden durch zwei Strategien bekämpft: Teildekontamination des Abwassers durch UV-Behandlung und Kultivierung von Cyanobakterien in einer stark alkalischen Umgebung (pH≈10,5). Damit konnte effektiv die Kontamination mit unerwünschten Mikroorganismen, wie Poterioochromas sp., verhindert werden. (T. Grivalský et al., Poly-β-hydroxybutyrate production by Synechocystis MT_a24 in a raceway pond using urban wastewater)

Schweizer Wissenschaftler untersuchten wegen des bedeutenden Potentials für die vegane Ernährung das Wachstum, die Inhaltsstoffe und den Geschmack mehrerer Chlorella-Stämme. Der auch von uns verwendetet SAG-Stamm gehörte zu den effektivsten. Die Stämme wurden mit verschiedenen Nährlösungen und Wachstumsbedingungen: auto-, mixo- und heterotroph kultiviert, wovon die Zellzusammensetzung stark beeinflusst wurde. Ein bitterer Geschmack blieb bei allen Varianten wegen des Chlorophylls, das auch in dunkel kultivierten gebildet wurde.

Beim scale up der Kultivierung in den kleintechnischen Maßstab konnten mit einer online NIR- Absorptions- und Zell-Kapazitäts-Messung, schneller und genauer als bei den offline Messungen, der genaue Termin des Beginns der stationären Phase, das heißt des optimalen Erntetermins, bestimmt werden. In einem Industrie-Projekt wurden verschiedene Mutanten getestet, die stark unterschiedlich gefärbte Biomassen produzierten – ähnlich der „Golden Chlorella“. Zwei der Stämme sind inzwischen kommerzialisiert worden und stehen kurz vor der Überführung in die Produktion. (M. Zinn et al., Cultivation of microalgae: A tasty choice among phototrophic, heterotrophic, and mixotrophic growth conditions)

Neben dem oben erwähnten Vortrag zur Fütterung von Mikroalgen in der Schweiz beschäftigten sich weitere mit den positiven Effekten von Mikroalgen in der Tierfütterung. Lea-Johanna Liebscher (Mikroalgen in der Schweinemast; GICON, Dresden) präsentierte die Ergebnisse der Fütterung von dezentral im Landwirtschaftsbetrieb kultivierter unbearbeiteter Mikroalgensuspension in der Schweinemast. Ergebnisse waren verbesserte Futter- und Stickstoff-Verwertung und besseres Sozialverhalten.

Carsten Schulz, (Mikroalgen für die Fischernährung; Fraunhofer IMTE) zeigte die Potentiale verschiedener Algen wie Isochrysis, Tetraselmis, Schizochytrium und Spirulina, aber auch die derzeit noch nicht ausreichende Konkurrenzfähigkeit und den Entwicklungsbedarf zur Nutzung in der Aquakultur.

Auch die anderen Beiträge und die Exkursion gaben viele interessante und für die eigene Arbeit relevante Anregungen. Ein Abstrakt-Band, einige Präsentationen und Fotos von Postern liegen vor.

Autorin: Regina Storandt