Zartes Lila für die Lausitz
Auf ehemaligen Braunkohleflächen laufen Versuche mit Lavendel
Im Süden Brandenburgs, aber auch im Nordosten Sachsens, liegt die zweitgrößte Braunkohlenlagerstätte Deutschlands. Auf tausenden Hektar wird seit den 20er Jahren Braunkohle gefördert und die ursprünglichen Deckschichten wieder auf die Fläche gekippt. Damit liegen häufig leicht kohlehaltige Substrate oben, nicht der ursprüngliche, gewachsene Boden.
Auf einer solchen Kippe im ehemaligen Braunkohletagebau Koyne bei Grünewalde betreibt das Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften (FIB) eine rund 15 Hektar große Versuchsfläche. Das dort in den Jahren 1958 bis 1965 verkippte Substrat ist ein Gemenge aus schwefelhaltigen Sanden, Lehmen und Schluffen – ein sogenannter Kipp-Kohlelehmsand. Mit Kalk wurde das hohe Säurepotential bis in eine Tiefe von 60 Zentimetern gepuffert und so ein kulturfreundlicherer Boden geschaffen. Zudem: Die schwach lehmigen Sande bieten „aufgrund der fein verteilten Kohle eine erhöhte Nährstoff- und Wasserspeicherkapazität“, so Dr. Michael Haubold-Rosar, wissenschaftlicher Direktor des FIB. Die Aufgaben des Instituts mit Sitz in Finsterwalde sind eng mit der Braunkohle verbunden. Wie die Gruben der Lausitz rekultiviert werden können wird dort in Projekten erforscht und auf der Fläche umgesetzt.
Neue Nutzung der Schüttflächen
Auf der Versuchsfläche Grünewalde laufen zahlreiche Lysimeterversuche. Auf den Versuchsflächen forscht das Institut zudem an Lösungen einer erneuten landwirtschaftlichen Nutzung. Etwa 10.000 von rund 100.000 Hektar Schüttflächen in der Lausitz werden aktuell wieder landwirtschaftlich genutzt. Landwirte, oft die ehemaligen Eigentümer der Flächen, bauen dort zum Beispiel Luzerne und Wintergetreide an. Das Projekt „Feldversuche zum Anbau nachwachsender Rohstoffe und Sonderkulturen als innovative Landnutzungsoptionen in Südbrandenburg“ soll nun Antworten geben, was außerdem auf den Kippböden gedeihen könnte: Seit dem Jahr 2020 testet das FIB den Anbau von Lavendel. Diese sehr trockenheitstolerante Kulturpflanze kommt mit den sandigen, nährstoffarmen Standorten gut zurecht, wird zudem für viele Produkte nachgefragt.
Am Standort Grünewalde brachten die Projektverantwortlichen schon im Herbst 2020 erste Pflanzen mit der Hand in den Boden, im darauffolgenden Frühjahr wurde maschinell mit einer Forstpflanzmaschine gesetzt. Gepflanzt wurden die Sorten Grosso, Dwarf Blue und Munstead, jeweils abwechselnd in vier Reihen. Dwarf Blue und Munstead zählen zum echten Lavendel, Grosso dagegen ist eine Hybridsorte. „Wir haben den Fokus auf den Echten Lavendel gelegt, da er mit schlechteren Bodenbedingungen und geringerer Wasserverfügbarkeit umgehen kann. Auch weist er eine höhere Frosttoleranz auf“, erklärt dazu die Projektbearbeiterin Anne Rademacher. Die Lavendelpflanzen wurden mit einem Abstand von 1,60 Meter gepflanzt. In der Reihe steht die Hybridsorte in einem Abstand von 0,6 Metern, da sie voluminöser wächst, der Echte Lavendel wächst alle 0,4 Meter.
Die Wahl auf die Sorten fiel, da sie rasch anwachsen, es zudem die Vergleichbarkeit zu einem weiteren Standort gibt. Zudem gelten die Sorten als sehr gesund und stabil und enthalten wichtige Inhaltsstoffe in ausreichender Menge. „Ein wichtiger Aspekt war auch, dass die hohen Gehalte an ätherischen Ölen in den Blüten des Echten Lavendels eine pharmazeutische Nutzung ermöglichen“, so die Agrarwissenschaftlerin am FIB. Geringere Inhaltsstoffe dagegen zeigt die Lavendelkreuzung Grosso, die dafür wüchsiger ist. Grosso ist vor allem in der kosmetischen Industrie gefragt, während Echter Lavendel eher in der Medizin genutzt wird.
Etablierung im ersten Jahr
Der Versuch, zu dem noch zwei weitere neu angelegte Vergleichsflächen in der Region gehören, wurde zunächst für drei Jahre angelegt und wird vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) Brandenburg gefördert. Darüber hinaus unterstützt das Energieunternehmen LEAG den Versuch auf einem eigenen vierten Standort, der vom FIB betreut wird.
Auf den Testfeldern wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie gut sich Lavendel als Kultur für Brandenburg eignet. Zwar gibt es Landwirte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die die Pflanze mit dem charakteristischen Duft anbauen. Doch wirklich Erfahrung besitzt hierzulande kaum Jemand mit der Pflanze, die in erster Linie in Frankreich und Südost-Europa großflächig angebaut wird. Anne Rademacher dagegen erwarb einiges Wissen in Vorprojekten: „Das erste Jahr gilt als Etablierungsjahr, an den folgenden zwei Jahren können dann messbare Ergebnisse abgelesen werden.“ In der Praxis allerdings fällt die eigentliche Hauptnutzung des Lavendels in die Jahre drei bis vier. „Nach sieben Jahren wird mitunter gerodet“, so Rademacher, „weil dann die Ausfälle einzelner Pflanzen zunehmen“. Manch eine Plantage würde aber auch zehn Jahre lang genutzt.
Doch am Beginn eines Lavendelfeldlebens steht die Pflege im ersten Jahr, die aufwendig ausfällt.
Normalerweise wird in der Anpflanzphase beregnet, was für das Jahr 2021 wegen genügend Regens gespart werden konnte. Allerdings profitierte auch das Beikraut. Dagegen ging das Forscher-Team mechanisch vor: Zwischen den Reihen wurde gefräst, teilweise auch vorher gemulcht. Bis zu sechs Durchgänge pro Fläche fuhren FIB-Mitarbeiter mit einer Anbaufräse, vier bis sechs mit der Hacke. In den Reihen dagegen war Handarbeit angesagt, auch weil entsprechende Spezialmaschinen kaum zu bekommen sind. Bis zu fünf Helfer hackten ein bis zwei Tage pro Versuchsfläche das Unkraut heraus.
Doch der Lavendel arbeitet für den Landwirt. Denn in der Regel wächst die Pflanze die Fläche zu. So plant auch Rademacher: „Zumindest ist das unsere Hoffnung, dass der Lavendel mindestens in der Reihe das Unkraut unterdrückt und wir dann nur noch zwischen den Reihen das Unkraut entfernen müssen.“ Es lässt sich also sagen: Ist der Lavendel erst einmal etabliert, ist er eine dankbare und pflegeleichte Pflanze.
Ist es aber denkbar, dass der Lavendel eine dauerhafte Heimat auf Brandenburger Äckern findet? Die standörtlichen Gegebenheiten auf den ärmeren Böden stimmen. Dazu kommen die Auswirkungen des Klimawandels mit längeren trockenen und wärmeren Phasen in der Hauptvegetationsperiode, an die der Lavendel gut angepasst ist. Auch tiefe Minusgrade steckt er weg. Allerdings sieht die Forscherin einzelne Sorten bei minus 20 Grad Celsius „ohne geschlossene Schneedecke und dazu Wind auf einer freien Fläche“ als gefährdet. Ebenso bei zu viel Feuchtigkeit „kann es Probleme mit Schimmelpilzen oder Fäulniserregern“ geben, gibt Rademacher zu bedenken.
Wertschöpfungskette geplant
Der internationale Markt für Lavendel indes ist etwas in Bewegung geraten: Im wichtigen Anbauland Frankreich gehen seit einigen Jahren teilweise großflächig Kulturen ein, da dort eine Krankheit die Lavendelpflanzen befällt. Erreger sind Bakterien, die von Zikaden übertragen werden. Die Folge: Die Pflanzen bilden kleinere Blüten und vertrocknen sogar. Ein großer Teil des Lavendels stammt aus Bulgarien und Kasachstan, wo die Produktionskosten niedriger sind. Wie sich Brandenburger Bauern auf diesem Markt etablieren könnten, ist Teil der Untersuchungen.
Was ebenso fehlt: „Noch sind wir im maschinellen Bereich nicht wirklich aufgestellt. Betrachtungen zu der für den Praxisanbau geeigneten Landtechnik sind der nächste Schritt“, weiß FIB-Direktor Michael Haubold-Rosar. Doch zunächst sei es wichtig, die Qualität der Pflanzen zu prüfen.
Erste Analysen zur Qualität der Öle und Inhaltsstoffe des auf allen vier Flächen geernteten Lavendels übernimmt das Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) aus Bad Belzig. Im dortigen Labor ermitteln Wissenschaftlerinnen neben der Ölausbeute zum Beispiel Protein- und Fettgehalte sowie Informationen über die antioxidative Wirkung und den Polyphenolgehalt.
Um das Projekt zudem in praxistaugliche Lavendel-Produkte münden zu lassen, wird das FIB mit Landwirtschaftsbetrieben, Verarbeitern und Vermarktungspartnern zusammenarbeiten. Wenn dann alle Vorhaben in ein paar Jahren zu einer Wertschöpfungskette verbunden wurden, gesellt sich vielleicht bald zartes Lila zu den sonst vorherrschenden Grün- und Brauntönen in der Lausitz.
Julian Delbrügge (ILU), Anne Rademacher (FIB)