Landwirtschaft im Dialog in Cottbus: Neue Formate für Wissenstransfer
Auf dem Lausitzer ZukunftsForum Landnutzung wurde über Wissenstransfer diskutiert
Vermittlung zwischen Praxis und Forschung
Landwirtschaft im Dialog gestaltete eine 90minütige Session zum Thema Landwirtschaft und Wissenschaft im Dialog – Wie können Wissenstransfer und Netzwerke aus Landwirtschaft und Wissenschaft die Agrarwirtschaft zukunftsfähig gestalten? Konzipiert war die Diskussionsveranstaltung für das Lausitzer Zukunftsforum am 26. September an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) in Cottbus.
Kommunikation auf Augenhöhe ist eine oft bemühte Phrase. Doch diskutiert man darüber mit Menschen, die es betrifft, lassen sich diese Begriffe mit Leben füllen. So wird deutlich, wo Kommunikation gelingt und wo von Augenhöhe keine Rede sein kann. Die Gesprächsebenen in der Landwirtschaft wollte „Landwirtschaft im Dialog (LiD)“ verorten. Die Kooperation aus dem Bauernverband Brandenburg und der Koordinierungsstelle am ILU diskutierte dies auf dem Lausitzer Zukunftsforum am 26. September an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) in Cottbus. Die zweitägige Veranstaltung hatte das Konsortium Land-Innovation-Lausitz (LIL) organisiert, um die aktuellen Projekte für die Lausitz vorzustellen und Ergebnisse zu präsentieren.
Für diesen Rahmen gestaltete Landwirtschaft im Dialog eine 90minütige Session zum Thema Landwirtschaft und Wissenschaft im Dialog – Wie können Wissenstransfer und Netzwerke aus Landwirtschaft und Wissenschaft die Agrarwirtschaft zukunftsfähig gestalten?
Wissenstransfer in der Landwirtschaft: Herausforderungen und Chancen
Hinter dieser theoretisch klingenden Frage stecken allerhand praktische Chancen und Probleme. Die Landwirtschaft steckt mitten im Umbruch – besonders in Brandenburg. Der Klimawandel wirkt sich im Sandboden-dominierten, eher trockenen Bundesland noch deutlicher aus. Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen darauf reagieren. Zudem suchen zahlreiche wissenschaftliche Projekte nach Lösungen für die Probleme auf dem Acker und in den Ställen. Doch der erfolgreiche Wandel in der Landwirtschaft gelingt nur, wenn Wissenschaft und Praxis miteinander reden und Wissen austauschen – der oft genannte Wissenstransfer.
Wissenstransfer ist Arbeit
Doch miteinander reden, sich erklären, Probleme und Ideen auszuformulieren ist bisweilen anstrengend, zeitraubend oder wie Philipp Fumfahr es in der Diskussionsrunde beschrieb: „Wissenstransfer macht Arbeit und bissweilen auch keinen Spaß“. Fumfahr ist Bäckermeister und übernahm im Jahr 2015 die Bäckerei Wahn in Vetschau im Spreewald. Er war als einer von drei Praxisvertretern zur Diskussionsrunde geladen. Fumfahr setzt stark auf regional bezogene Rohstoffe und weiß: Das Bäckereipersonal müsse den Kunden viel erklären, wie wertvoll und nachhaltig es sei, wenn das Getreide für das Brot vom Bauern nebenan stamme. Doch alle guten Gründe bedeuten eben nicht automatisch, dass der Kunde häufiger dieses Brot kauft oder sogar mehr dafür bezahlt. Wissenstransfer habe zunächst viel mit „Enthusiasmus“ und Investition in die Zukunft zu tun, so Fumfahr.
Praktische Erfahrungen: Herausforderungen beim Wissenstransfer
Ähnlich benannte es Christoph Schulz, Ackerbauer und Halter von Legehennen aus dem brandenburgischen Atterwasch, Landkreis Spree-Neiße und Mitdiskutant aus der Landwirtschaft: „Wissenstransfer ist ein Ehrenamt“. Damit sprach Schulz ein Grundproblem an. Während für Projektleiter aus der Wissenschaft der Wissensaustausch mit Landwirten und Landwirtinnen Teil ihres Jobs ist, müssen die Praxispartner das nebenher leisten. Zeit und Energie, die ihnen für die Arbeit im Betrieb fehlt. Konkret kann das bedeuten, dass der Wissenstransfer die Landwirte Geld kostet. „Die Kosten begrenzen so die Motivation“ an Projekten teilzunehmen, erklärte Elisa Erpel, Pflanzenbauleiterin bei Oehnaland Agrar mit Sitz in Niedergörsdorf im Fläming, Brandenburg, die dritte Sprecherin für die Praxis auf der Forumsbühne.
Neue Ideen und Unterstützung in beide Richtungen
Bei aller Kritik waren sich die Praxisvertreter einig: Wissenstransfer ist total wichtig. Er sorge generell für den fachlichen Austausch zwischen Berufskollegen und Wissenschaft und bringt neue Ideen in Betriebe und Forschungsstationen. Zudem ermöglicht der Austausch wissenschaftliche Unterstützung dafür, welche Innovationen in der Praxis funktionieren können und wie.
Das bestätigten auch Dr. Matthias Held von Land-Innovation-Lausitz und Laura Rheinfels vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB). Es würde ja alles Mögliche erforscht in der Wissenschaft „und die Praxis hilft das zu erden“, erklärte Held und ergänzte: „Es braucht eine gewisse Bereitschaft von Landwirten mitzuwirken“, damit Projekte der Praxis auch etwas nützen. Auch für Laura Rheinfels sei es immer bereichernd, wenn Abläufe in der Praxis „vorgeführt werden und man sie anfassen kann“.
LAIZ: Ein neues Zentrum für Wissenstransfer in der Lausitzer Landwirtschaft
Für beide ist der Transfer in ihrer Arbeit ein großes Thema. BTU-Mitarbeiter Matthias Held stellte das Projekt LAIZ – Lausitzer Agrar-Informationszentrum vor. Das LAIZ soll innerhalb von Land-Innovation-Lausitz entstehen und Wissenstransfer und Beratung anbieten. Ziel ist, die Menschen vor Ort zu unterstützen, die vom Braunkohletagebau geprägte Lausitz in eine Bioökonomie-Region mit klimaangepasster Landnutzung zu überführen.
Modell- und Demonstrationsvorhaben für nachhaltigen Ackerbau in Brandenburg
Laura Rheinfels vertrat das Projekt Modell- und Demonstrationsvorhaben Integrierter Pflanzenbau (MuD) für die Region Brandenburg. Das Projekt möchte nachhaltige Ackerbaustrategien in Praxisbetrieben testen und mit den Praktikern diskutieren. Betreut werden die Betriebe vom Landesbauernverband Brandenburg (LBV) und ATB.
Agroforstsysteme und finanzielle Anreize: Eine Chance für die Brandenburger Landwirtschaft
Für beide ist der Austausch mit der Praxis somit eine feste Projektsäule. Ebenso für drei weitere Wissenschaftler, die von LIL unterstützte Projekte vorstellten. AgroWert-Regio ist ein Projekt, verantwortet vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF). Projektmitarbeiter Ruben Weber skizzierte, wie Wertschöpfungsketten von Agroforstsystemen entwickelt und auch ökonomisch bewertet werden können. Zudem soll eine geplante Vermarktungsinitiative Agroforst-Landwirten Teile der Vermarktungsarbeit für ihre Produkte, sprich des Wissenstransfers mit den Kunden, abnehmen.
Hier zeigte sich ein Ansatz, wie Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis gleichberechtigt gelingen kann. Denn während Projektleiter für den Fachaustausch bezahlt werden, ist es hilfreich, den Landwirten ihre Zeit quasi zu kaufen – sei es, indem Marketingarbeit übernommen wird, oder Landwirte und Landwirtinnen für ihren Einsatz bezahlt werden. Beispielsweise sehe das MuD-Projekt feste Stundensätze für die Projektarbeit der Praxispartner vor, so Laura Rheinfels. Ähnlich Wege gehen auch schon andere Projekte wie das vom Landwirtschaftsministerium Brandenburg finanzierte Projekt Grabenstaue, wie eine Zuhörerin aus dem Publikum erwähnte.
Freude und Enthusiasmus sind der Schlüssel
Doch manchmal ist schon die Kontaktaufnahme eine Hürde, beschrieb Dr. agr. André Sradnick vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) mit Sitz in Großbeeren. Sradnick steht dem Projekt InnoWild und InnoWert vor. Die spannende Idee: die wertvollen Inhaltstoffe von Wildpflanzen zu nutzen und in der Lausitz anzubauen. Doch Landwirte für Projekt-Workshops zu gewinnen, gestaltete sich schwierig. Alles, was nicht „draußen“ stattfände, würde wenig angenommen, berichtete Sradnick. In Folge seien die Chancen des Wildpflanzenanbaus für die Landwirte schwer zu vermitteln.
Ähnliches berichtete Tobias Nowakowski von der BTU Cottbus. Er stellte das Projekt KliBioTo vor. Landnutzungstypen wie Heide, landwirtschaftliche Flächen und Agroforst wurden hierbei mit einer Drohne beflogen und erfasst, wie stark sie sich im Sommer erhitzen. Die Daten sollen unter anderem Regionen identifizieren, wo zukünftig hitzetolerante Kulturen angebaut werden sollten. Zudem sollen sie Touristen über sehr heiße und kühle Fahrradtouren informieren.
Für eine Umfrage unter 112 Landwirten aus der Region suchten die Projektverantwortlichen Kontakte aus regionalen Telefonbüchern heraus und telefonierten den Betriebsleitern hinterher. Vernetzungsplattformen wie die Koordinierungsstelle oder LiD seien ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen und zu Bauernverbänden hätte man nur wenig Kontakt aufbauen können, so Nowakowski. Um genug Daten bei Interviews zu sammeln, zeigten die Verantwortlichen großes Engagement: „Wir sind zu allen 112 Betrieben herausgefahren.“
Dies bestätigte auch, was Zuschauer und Podiumsgäste sonst noch zum Thema zu sagen hatten: Wissenstransfer hänge auch von der Freude und dem Enthusiasmus der Beteiligten ab.
So kann eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis gelingen
Nach 90 Minuten Austausch konnte zusammengefasst werden: „Wenn Wissenschaft Probleme löst, machen Landwirte gerne mit“, wie es IGZ-Wissenschaftler André Sradnick ausdrückte. Und die neue Generation der Landwirte und Landwirtinnen „kommen auch auf die Wissenschaft zu“, machte Pflanzenbauleiterin Elisa Erpel Hoffnung. Auch Geflügelhalter Christoph Schulz will den Kontakt zur Forschung nicht abreißen lassen: „Wir gewinnen ja damit, auch wenn es nur Wissen ist.“
Ebenso wünschten sich Praxisvertreter und Wissenschaftler aber, dass es stärker ermöglicht werden müsse, Landwirte in Projekten finanziell zu entlasten und dass Projekte auch zunehmend ökonomische Ziele ansteuern sollten. Ein spannender Vorschlag kam von einer Zuhörerin: Schön wäre es, wenn auf Betrieben ein geförderter wissenschaftlicher Leiter quasi als Verbindungsglied zur Forschung arbeiten würde. Das zeigt: Damit sich Wissenschaft und Praxis noch enger und gleichberechtigt austauschen können, müssen auch neue Formate der Zusammenarbeit entwickelt werden.
Julian Delbrügge (ILU)