Acker ohne Pflug: Stabiler trotz Klimawandel durch konservierende Bodenbearbeitung
Landwirte sprachen über konservierende Bodenbearbeitung
Über Landwirtschaft wird leidenschaftlich diskutiert, allerdings sprechen oft nur wenige Praktiker mit. Die Koordinierungsstelle am ILU und der Bauernverband Brandenburg (LBV) wollen das ändern. Mit dem Format Landwirtschaft im Dialog (LiD) erreichen beide Institutionen vor allem Landwirte und Landwirtinnen in Brandenburg. Jetzt organisierte LiD einen Praxis-Dialog in Nordwestuckermark. Gastgeber war der dort ansässige Landwirt Knut Büttner-Janner. Denn das Thema war die konservierende Bodenbearbeitung. Beide, Knut und sein Bruder Bört Büttner-Janner testen seit zwei Jahren Techniken der konservierenden Bodenbewirtschaftung.
Ohne Pflug das Bodenleben erhalten und fördern
Kurz zum Hintergrund: Es existieren einige Techniken der konservierenden Bodenbewirtschaftung. Allen gleich ist, dass – meistens – auf den Pflug verzichtet wird. Der Sinn dahinter: Der Ackerboden soll möglichst in Ruhe gelassen werden, um das Bodenleben zu schonen und zu fördern, Nährstoffe und Feuchtigkeit zu halten. Das Pflügen der Fläche dagegen gilt als starke Störung dieses Systems.
Immer mehr Landwirte in Brandenburg wollen ihre Äcker ungepflügt lassen. Viele hoffen so, wasserverlustreiche Hitzeperioden im Sommer besser überbrücken zu können. Damit sich diejenigen, die mit der konservierenden Bodenbearbeitung starten möchten, mit denen, die damit schon Erfahrung haben, austauschen können, startete LiD erstmals den Praxis-Dialog.
Vanessa Paap vom Bauernverband hatte dafür in wenigen Tagen ein kleines Programm aus dem Boden gestampft. An zwei Biertischgarnituren hatte sie acht Landwirte und Branchenvertreter zu belegten Brötchen geladen, zudem Katia Heistermann vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ). Die Wissenschaftlerin stellte das Projekt BioStripPlant vor, das die konservierende Bodenbearbeitung – in diesem Fall die Mulchsaat bei Gemüse – erforscht. Zusammengekommen waren die Praktiker in einer kleinen Scheune, in der kürzlich noch Saatgut lagerte. Nun war sie fast leergeräumt und diente als einfacher, ehrlicher Gesprächsraum. In dieser Atmosphäre ließ es sich gut fachlich plaudern.
Praxis-Dialog: Bauernverband und Koordinierungsstelle lassen Wissen fließen
Zu Beginn stellte Vanessa Paap den Landesbauernverband vor. Julian Delbrügge vom Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) sprach kurz über das Institut und die dort angesiedelte Koordinierungsstelle. Die vom Landwirtschaftsministerium Brandenburg (MLUK) geförderte Stelle hat unter anderem das Ziel, den Wissensfluss zwischen Wissenschaft und landwirtschaftlicher Praxis zu verbessern. Mit dem gemeinsamen Format LiD gelingt das gut.
Dann hatten die Praktiker das Wort. „Vor vier Jahren habe ich mich für Direktsaat interessiert“, startete Bört Büttner-Janner die Gesprächsrunde. Auf 350 Hektar bewirtschaftet er als eigenständiger Betrieb klassisch Raps, Weizen, Gerste. Eine seiner ersten Maßnahmen war, den Raps in die Stoppeln des Vorbestands – wie Weizen oder Gerste – zu drillen. „Obwohl ich nichts gemacht habe, als in die Stoppeln zu drillen“, sei der Ertrag vergleichbar zu denen der Nachbar-Schläge gewesen, erklärte der Landwirt. Trotz einiger Queckennester. Für die Wintergerste griff er allerdings wieder zum Pflug, um Gräsern, hauptsächlich der Trespe, entgegenzuwirken.
Drill-Maschine von Czajkowski
Mittlerweile lässt Büttner-Janner im Lohn drillen – mit einer Spezialmaschine des polnischen Herstellers Czajkowski. Dieser fertigt in erster Linie Maschinen für die Strip-Till-Technik. Vergangenes Jahr verglich Bört Büttner-Janner verschiedene Drill- beziehungsweise Anbau-Techniken: Säen direkt in die Stoppeln, pflügen und Strip-Till, unter anderem mit Hilfe einer Czajkowski. Die Erträge seien auf allen Schlägen vergleichbar gewesen, weshalb er dieses Jahr Strip Till auf 60 Hektar anwendete. Mit dem Ergebnis „bin ich ganz zufrieden“. Zwar habe er über die Jahre „Lehrgeld bezahlt“, doch mittlerweile klappe es immer besser. „In diesem Jahr sind es 17 Hektar Direktsaat und 64 Hektar Strip-Till.“
Martin Mandelkow, ebenfalls Landwirt aus der Uckermark, sammelt ebenso seit Jahren Erfahrungen. Nachdem er sich zwei Jahre mit konservierender Bodenbewirtschaftung beschäftigt hatte, entschied er sich gleich für die Direktsaat. Er kaufte sich eine Drillmaschine aus Brasilien, wo „90 Prozent Direktsaat“ betrieben werde, so Mandelkow. Die Direktsaat-Maschine – eine TDNG 520 vom brasilianischen Hersteller Semeato – hatte er auch gleich mitgebracht, um sie später vorzuführen.
Robust gegen Wetterextreme
Er ist von der grundsätzlichen Art der Ackerbearbeitung überzeugt: „Der Boden ist robust gegen Wetterextreme, ab dem ersten Jahr.“ Die Gründe sind vielfältig. Ein Boden, der dauerhaft grün gehalten werde, beziehungsweise über eine Mulch- und starke Humusschicht verfüge, schlucke deutlich besser Starkregen, so Mandelkow. Zugleich ist der stabiler gegen Trockenheit brachte es Katia Heistermann vom IGZ in ihrem Vortrag auf den Punkt: „Unter dem Mulch ist es feucht.“ Mandelkow ergänzte: Der Ertrag nehme zwar bei den Spitzenwerten ab, dafür aber, stellt der Landwirt in Aussicht: „Die Täler sind weg.“ Sprich, die Ertragseinbrüche bei Wetter- und Klimaunbilden fallen milder aus. Und „der Aufgang war noch nie so regelmäßig“ dank Direktsaat, berichtet Mandelkow über seine Erfahrungen. Pflügen zerstöre zudem einen Teil der Mykorrhiza, die das Wachstum der Kulturen unterstützen. Nur bei Mais und Zuckerüben vertraue er nicht auf die Direktsaat, sondern auf eine flache Mulchsaat „weil Mais Wärme benötige“.
Seit zwei Jahren bringt er nun die Kultur per Direktsaat in den Boden. Behält man diese Bewirtschaftung über Jahre bei, sollen auch die Unkräuter weniger werden. Das sei auf seinen Flächen noch nicht der Fall, weshalb er noch klassisch spritze und dünge. Wie immer habe aber auch die Fruchtfolge einen Einfluss: „Mais, Weizen, Raps, Gerste, Roggen“, nannte Mandelkow seine Kulturreihenfolge. So könne er beispielsweise den Durchwuchs von Gerste einschränken.
Wer nicht pflügt hat mehr Mäuse
Langsam an die konservierende Ackerbautechnik tasten sich gerade die Märkische Agrargenossenschaft Mittenwalde heran, berichtet der Pflanzenbauleiter des Betriebs Jens Schniese. Dabei kommen verschiedene Drillmaschinen zum Einsatz, aber auch leichtere Bodenbearbeitung testet der Betrieb. Der Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Mittenwalde Heiko Weiß berichtete, dass sie zum Beispiel erstmals die Einzelkornsaat beim Raps ausprobierten. Probleme bereiteten dabei die Mäuse, deren Ausbreitung sonst der Pflug einschränkt, da er deren Baue zerstört. Dieses Problem ist unter den Ohne-Pflug-Bauern bekannt. Wer nicht pflügt, hat mehr Mäuse. Deshalb empfiehlt Martin Mandelkow den regelmäßigen Einsatz von Legeflinten.
Ein weiterer Schädling war Gespräch: So beobachtet Mandelkow, dass ein aktiveres Bodenleben – wie Regenwürmer – vermehrt Wildschweine auf die Fläche ziehe. Joachim Köppen, der den Czajkowsk-Händler Jatznicker Handel & Service GmbH vertrat, berichtete hierzu von einer Begebenheit, wonach die Wildschweine nur an die unbearbeiteten Streifen gegangen seien, nicht an die Rapspflanzen.
Zeit und Arbeitskräfte sparen ohne Pflug
Maurice Hellwig sieht im pfluglosen Arbeiten insbesondere eine Zeitersparnis. Der Pflanzenproduktionsleiter der Agrargenossenschaft Uckermark sieht das so: Aktuell setzt der Betrieb bis zu „vier Pflüge ein, um eine Drillmaschine in Schach zu halten“. Dazu kommt weitere Technik, unter anderem Steinesammler. Dieser geballte Einsatz hilft, die großen Flächen der Agrargenossenschaft in einem Rutsch zu bestellen und Wetterbedingungen und Bodenfeuchte effizient zu nutzen. Allerdings binde dies auch viele Arbeitskräfte. Ein pflugloses Arbeiten käme mit weniger als die Hälfte des Fachpersonals aus, rechnete Hellwig vor. Noch aber setzt die Agrargenossenschaft auf die bewährte Technik.
Raps aus Direktsaat
Bört Büttner-Janner lud nach den intensiven Gesprächen zu einer Rundfahrt zu zwei Rapsfeldern. Auf der ersten Fläche stand der Raps in den Startlöchern, gesät mit der Strip-Till-Methode Anfang August mit 25 Körnern pro Quadratmeter. Das Stroh der zuvor geernteten Gerste wurde abgefahren. Zum Einsatz kam eine Strip-Till-Maschine von Czajkowski und eine Einzelkornsämaschine. Es folgten Wachstumsregler, Spritzeinsätze gegen Schädlinge sowie Mittel gegen Ausfallgetreide. Allerdings merkte Büttner-Janner an: „Das Getreide kam erst durch die Bodenbearbeitung.“ Wichtig für den Landwirt ist in diesem Zusammenhang: „Ein Bodenherbizid, wenn Stroh zwischen den Pflanzen liegt, macht keinen Sinn.“ Schließlich erreicht das Mittel dann nicht die Wurzeln des ausfallenden Getreides.
Ein zweiter Schlag zeigte ebenfalls Raps, allerdings nach Roggen. Gedrillt wurde der Raps per Direktsaat zwischen das liegende Stroh, „bei trockenem Wetter 60 Körner pro Quadratmeter“. Das erscheint manchem viel, doch für Büttner-Janner bedeutete es ein Plus an Sicherheit, falls ein Teil der Saat nicht aufgegangen wäre.
Konservierende Bodenbearbeitung, das betonen immer wieder die gekommenen Landwirte, funktioniert am besten bei trockener Witterung. Zum Beispiel, so Landwirt Büttner-Janner, würden zu feuchte Stoppeln gerne die Säaggregate verstopfen.
Direktsaat mit Maschine Semeato aus Brasilien
Wie die Saat in den bedeckten Acker auch gelangen kann, demonstrierte Martin Mandelkow zum Abschluss mit seiner TDNG 520 vom brasilianischen Hersteller Semeato. Das Modell kostet bis zu 90.000 Euro und besitzt keine Eggen, nur Scheiben. Eine simpel gehaltene Maschine, die sich aber gut über den Boden ziehen lasse. Zwar habe Hersteller „Novag das beste Prinzip“, aber die Direktsaatmaschinen dieses Herstellers seien eben auch teuer, erklärt Mandelkow seine Entscheidung. Denn am Ende geht es um das Grundsätzliche: Bei der Direktsaat müsse man„halt die Saat reinkriegen“. Deshalb benötige man die richtige Technik, falsche Technik könne auch frustrieren. Das koste Geld, aber man könne sich die Technik ja auch leihen oder Dienstleister in Anspruch nehmen.
Die Maschine fährt der Landwirt meist langsam. Sie würde auch schneller laufen, aber dann „klafft der Boden auf“. Denn für Mandelkow ist das Ziel, „dass man keine Erde sieht nach dem Drillen“. Denn so würde man Unkrautsamen mit nach oben heben. Am besten sei es, „wenn man nicht sieht, dass man da war“.
Tatsächlich hinterlässt die die Direktsaatmaschine aus Brasilien kaum Spuren, wenn sie mit Bedacht gesteuert wird. Mehr als parallel verlaufende, feine Rillen in der Wiese sind nicht zu sehen. In den Schlitzen liegt die Saat – in diesem Fall nur zu Vorführungszwecken Mais und Erbse.
Alle Teilnehmenden des Praxis-Dialogs sehen in der konservierenden Bodenbearbeitung eine Lösung, den klimawandelbedingten starken Einflüssen, die den Ackerbau beeinträchtigen, entgegenzuwirken. Für viele sind die Trockenjahre 2018 bis 2022 Auslöser, sich mit dieser Technik zu beschäftigen.
Julian Delbrügge
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