Sonnensegel für Forellen
Das Brandenburger Institut für Binnenfischerei will mit Schatten Temperaturen in Gewässern senken
Der Klimawandel hinterlässt zunehmend Spuren in der Landschaft – absterbende Fichten und Wassermangel in der Landwirtschaft sind nur zwei Beispiele. Doch auch die Binnenfischerei und Aquakultur müssen sich auf die Auswirkungen zunehmender Trockenperioden und Hitzetage einstellen. „Temperaturspitzen sind nicht unbedingt ideal für die Fischbestände“, erklärt Dr. Christopher Naas. Naas ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Binnenfischerei e.V. in Potsdam Sacrow. Seit dem Jahr 1922 forscht an diesem idyllischen Ort die Wissenschaft zu und über Fische, insbesondere mit Blick auf deren wirtschaftliche Nutzung.
Hinter dem als Jägerhof geplanten Hauptgebäude aus dem Jahr 1904 befinden sich ein Meter tiefe Wasserbecken aus Kunststoff, komplett in den Boden eingelassen – 14 Stück insgesamt, in zwei Reihen angeordnet. Die Becken sind zu 80 Prozent mit Wasser gefüllt, darüber spannen sich auf Kopfhöhe dunkle Netzstoffe, die das Sonnenlicht unterschiedlich stark durchlassen. „Es geht vor allem um Temperaturspitzen, wie es sie jetzt auch während der vergangenen Hitzewellen gab, und um die Frage, wie können hier Schattierungen helfen,“ erklärt der Fischereiwissenschaftler. Im Kern verfolgen die Wissenschaftler in diesem Projekt, Aquakultur genannt, das Ziel, Temperaturspitzen in Fischbecken durch künstlich geschaffenen Schatten abzumildern. Das Projekt ist Teil einer Reihe von Klima-Projekten, die Lösungen suchen, wie die Landwirtschaft auf den Klimawandel reagieren kann. Gefördert werden diese Projekte vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK).
Forellen mögen kühles Wasser
Zunehmende Hitzewellen sind für die Fischereiwirtschaft ein Problem: „Die Aquakultur ist häufig von Oberflächenwasser abhängig, insbesondere die Salmoniden-Aquakultur. Salmoniden, zu denen die Forellen zählen, haben das Bedürfnis nach sommerkühlen Gewässern“, erklärt Naas. Er beschreibt ein klassisches Problem, wenn es zu warm wird: „Wassermangel“ Zum einen ist die Verdunstung der Gewässer höher, zum anderen benötigt die Vegetation mehr Wasser. Das heißt, Forellen-Anlagen, die im Durchfluss gespeist werden – also ein Teil eines fließenden Gewässers wird für die Aufzucht von Forellen abgezweigt – erhalten zu wenig Wasser. Das Wasser versorgt die Fische vor allem mit Sauerstoff. „Jetzt haben wir weniger Wasser und dadurch weniger Sauerstoff, und in der Regel haben wir dann auch höhere Wassertemperaturen“, führt Naas aus. „Und bei steigenden Temperaturen haben wir gleichzeitig weniger Sauerstoff im Wasser gelöst.“ Diese Kettenreaktion führt schlussendlich zu Haltungsbedingungen, in denen die Fische nicht mehr wie gewünscht gedeihen. „In diesem Vorversuch haben wir hier keine Forellenzuchtanlage, es handelt sich lediglich um Becken mit stehendem Wasser“, schränkt der Wissenschaftler angesichts des Versuchsaufbaus ein. Fakt aber ist, über den unbeschatteten Becken, die als Vergleichskontrolle angelegt wurden, konnten Wassertemperaturen von über 20 Grad Celsius gemessen werden. Bei solchen Temperaturen befinden wir uns im „oberen kritischen Bereich für Regenbogenforellen zum Beispiel, wo sie nicht mehr die optimale Leistung abrufen können, um das Futter umzusetzen und entsprechend zu wachsen“.
Um die Temperaturen stabil zu halten, griff das Team um Christopher Naas zu drei verschieden stark das Licht abschirmenden Folien: Die Netzstruktur der Folien unterscheidet sich in 40 Prozent Schattierung, 60 Prozent und 85 Prozent. Diese drei Schattiergrade werden mit der genannten unbeschatteten Kontrolle verglichen. „Zusätzlich messen wir die Lufttemperatur und Lichtintensität oberhalb der Schattierung, wir messen sie unterhalb der Schattierung und dann messen wir die gleichen Parameter nochmal in den Becken selber“, so Naas. Temperatur- und Lichtsensoren in der Mitte in 20 Zentimeter Wassertiefe, über der Wasseroberfläche sowie über der Schattierung liefern die täglichen Zahlen. Darüber hinaus wird die Sauerstoffsättigung ermittelt und Metermaßstäbe in den Becken geben Rückschlüsse auf die Verdunstung in den Becken, die täglich protokolliert wird. Plastikplättchen im Wasser dienen zudem als Besiedlungsfläche für Algen und zeigen, wie stark Schatten deren Aufwuchs fördert oder hemmt.
Diese ersten Daten sollen helfen zu verstehen, welcher Versuchsaufbau die Temperaturverläufe und Lichtintensität im Wasser mildern kann und wie stark. Eines zeigt sich schon jetzt: Selbst an sehr heißen Tagen senkt zum Beispiel die 85-prozentige Schattierfolie die Wassertemperaturen in den statisch betriebenen Rundbecken deutlich.
Anwendung in Praxisbetrieben
Aufgebaut wurde der Beschattungsversuch im Sommer 2022. Nach über vier Wochen beendete das Team den Versuch, entleerte die Becken, nur um sie neu zu befüllen und einen zweiten Durchgang zu starten. In einem weiteren Schritt sollen die Schattierfolien bei Praxispartnern, also Forellenzüchtern in Brandenburg, getestet werden. Dann kommen auch die Unterschiede zu Laborbedingungen ins Spiel. Denn die Folien über wirtschaftlich betriebenen Fischanlagen müssen höher aufgehängt werden, um Platz für die Fütterung und Abfischung zu lassen. Christopher Naas denkt deshalb darüber nach, sie in bestehende Schutznetze gegen Prädatoren wie Kormorane – zu integrieren.
Aus der Perspektive der Fisch-Produktion bewegen sich ideale Wassertemperaturen für Regenbogenforellen zwischen zwölf und 16 Grad. Höhere Temperaturen führen zu schlechterer Futterverwertung und geringerem Wachstum. Naas wünscht sich als Forschungsziel eine Schattierfolie, die in der Praxis einen Effekt auf die Wassertemperaturen und damit „idealerweise auch auf den Fischbestand“ hat. Wichtig für die Aquakultur-Praxis ist vor allem: „Die Materialien, die wir hier verwendet haben, sind frei auf dem Markt verfügbar und auch bezahlbar.“ Denn am Ende dürfen die Mehrkosten der Folien zum Beispiel nicht einen zusätzlichen Ertrag durch ein besseres Fischwachstum aufgebrauchen.
Julian Delbrügge (ILU), Christopher Naas (IfB)