Digitale Bodenkunde
Einblicke in die teilflächenspezifische Bewirtschaftung

Jeder Boden benötigt für ein gutes Pflanzenwachstum unterschiedliche Mengen an Phosphor, Kalk oder Stickstoff, zudem kann sich der Bedarf alle paar Meter ändern. Dünger flächig zu streuen, kann bedeuten, dass auf Teilen des Ackers zu wenige Nährstoffe ankommen oder zu viel.

Für eine perfekte Düngung wäre es am besten, Nährstoffe Quadratmeter genau zu platzieren. Dies ist ein Aspekt der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung. Um den Acker in seine Teilflächen aufzusplitten, braucht es eine komplexe Bodenanalyse und moderne Messsysteme. Die Veranstaltung „Digitale Bodenkunde – Einblicke in die teilflächenspezifische Bewirtschaftung“ machte diese zum Thema. Die eintägige Veranstaltung von „Landwirtschaft im Dialog“, ein Wissenstransferformat der Koordinierungsstelle im ILU und des Bauernverbandes Brandenburg, bot Vorträge und kurze praktische Vorführungen. Ort des Geschehens: Die agt Agrargenossenschaft Trebbin in Trebbin. Eine dortige Maschinenhalle bot Platz für 30 Zuhörer und auf angrenzenden Flächen wurden die teilflächenspezifischen Lösungen  vorgeführt.

Anfang 2000 entwickelten das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) und das Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam den Geophilus electricus. Mittlerweile heißt dieser nur noch Geophilus und wird vom IGZ für wissenschaftliche Projekte genutzt. Darüber hinaus setzt Dr. Jörg Rühlmann das System in Dienstleistung ein. Der Diplom-Agraringenieur hatte das Messgerät mitentwickelt und später eine GmbH ausgegründet.

Benannt nach einem Tausendfüßler

Der Geophilus ist ein feingliedriger Anhänger, bestehend aus sechs Achsen, verbunden über ein Vierkantrohr. Dieses Zentralrohr besitzt über jeder Achse ein Gelenk, um Bodenunebenheiten auszugleichen. Denn der Geophilus wird von einem Geländewagen über die zu untersuchende Fläche gezogen – da darf nichts rumpeln. Wegen seiner Gelenkigkeit benannten die Entwickler ihr Messgefährt nach dem wissenschaftlichen Gattungsnamen für einen Tausendfüßler.

Drei Sensoren trägt der Geophilus: „Mit dem Gammasensor kann beispielsweise eine Ackerfläche entsprechend der geologischen Herkunft des Bodens unterteilt werden“, so Rühlmann. Denn: Die natürliche Gammastrahlung des Bodens steht in enger Beziehung zum Tongehalt. „Je höher der Gehalt, desto höher die Gammaaktivität“, wie Jörg Rühlmann ausführte. Die durch die Messung entstandene Gamma-Karte zeigt die flächigen Unterschiede im Tongehalt des Oberbodens bis zu einer Tiefe von 30 Zentimetern.

Nummer zwei ist der elektrische Widerstandssensor: Die zwölf Räder des Tausendfüßlers bestehen aus Metall. Das ist wichtig, denn sie übernehmen den Job einer Elektrode. Sie sollen also Strom leiten, das aber während der Fahrt. Das vordere Radpaar leitet ein elektrisches Signal in den Boden. Die übrigen zehn Metallräder – die Messelektroden – empfangen dieses Signal und leiten es zum Widerstandssensor. Der elektrische Widerstand (der Kehrwert der elektrischen Leitfähigkeit) wird, in diesem Fall, in fünf Tiefenschichten mit „gleicher elektrischer Eigenschaft“ gemessen. Das erste Messelektrodenpaar erfasst eine Bodentiefe von zirka 30 Zentimetern, die folgenden blicken immer tiefer, das fünfte reicht bis 1,5 Meter. Der Boden-Widerstand wird unter anderem beeinflusst von Korngröße, Wassergehalt und Verdichtungsgrad. Die Korngröße sagt zudem etwas über Humusgehalt und Wasser- sowie Nährstoffspeicherfähigkeit aus. Aus all diesen Informationen entstehen eine Bodenarten- und eine Bodenprofilkarte.

Ein dritter Sensor, ein GPS-Empfänger auf dem ziehenden Fahrzeug, liefert dazu noch die Geodaten. Zusätzlich werden an wenigen Punkten im Feld echte Bodenproben als Referenz genommen, um den Sand-, Ton- und Schluffgehalt des Bodens festzustellen und die Sensordaten dadurch zu kalibrieren.

Durch Verrechnung aller Daten stehen am Ende digitale Karten, die zeigen, wo Areale mit hohen Tongehalten beziehungsweise Sandgehalten liegen. Daraus leiten sich für einen Landwirt Informationen für das Management ab: Zur auszubringenden Saatgut- und Kalkungsmenge, Düngerverteilung beziehungsweise welche Nährstoffmengen wo einzubringen sind. Sogar die Beregnungswassermenge kann eingeschätzt werden.

Die Leistung des Systems: 100 bis 120 Hektar pro Tag können bei 18 Meter Spurabstand befahren und gemessen werden. Dabei wird bei einer Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro Stunde alle drei Meter gemessen. Allerdings muss die Befahrbarkeit gegeben sein: zum Beispiel eine möglichst ebene Ackerfläche, die nicht frisch bearbeitet wurde.

In einem laufenden Forschungsprojekt, dem pH-BB, wird das Verfahren zur Optimierung der Kalkung angewendet. Hier werden die Korngrößenverteilung mit dem Geophilus-Sensor, der pH-Wert sowie der Humusgehalt dagegen über Veris, einer Multisensorplattform, ermittelt. Veris wurde von einer US-Firma entwickelt. Diese Plattform erweiterte nun das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) weiter, um sie im pH-BB-Projekt zu erproben. Sie ist an der Dreipunktaufhängung eines Schleppers montiert und wird so über das zu untersuchende Feld gezogen. Über eine ausgefeilte Mechanik werden während der Fahrt Boden aufgenommen und pH-sensitiven Elektroden zugeführt. Zusätzlich misst ein Spektrometer das vom Boden reflektierte Licht, woraus sich Rückschlüsse auf den Humusgehalt ziehen lassen. Am Ende des Projektes wird eine Software stehen, die aus allen Daten teilflächenabhängige Kalkmengen errechnet. Diese Software wird jeder Praktiker nutzen können.

Den elektrischen Widerstand misst auch Agricon. Die Firma setzt aber auf das EM 38. Dieses seit Jahren bewährte Messgerät wird als nichtmetallischer Schlitten hinter einem Fahrzeug hergezogen, bildet allerdings nur eine Höhenschicht des Bodens ab, ebenso bis 1,5 Meter. Auch hier verortet ein GPS-Sensor die Daten auf einer Karte. Ein so nach den vorhandenen Bodenarten ausgerichtetes Raster dient als Beprobungsraster. Diese Proben nimmt später eine Vorrichtung am Fahrzeug während der Fahrt auf. Die Analyse geschieht im Labor und liefert die pH-Werte und Gehalte an Phosphor, Kali und Magnesium, um daraus die Strategie für die Kalkung, Grunddüngung und organische Düngung, aber auch Saatausbringung abzuleiten.

Darüber hinaus bietet Agricon den sogenannten N-Sensor von Yara an, der, montiert auf dem Schlepper-Dach des Landwirts, den aktuellen Stickstoffgehalt in der Ackerkultur erfasst und so bei der kommenden Stickstoff-Planung hilft.

Die eigentliche Berechnung der Nährstoffbedarfe geschieht in der firmeneigenen Datenmanagementplattform Agriport. Der Landwirt gibt in diese Software eigene Werte wie die geplante Fruchtfolge ein, ein Algorithmus strickt daraus die Düngeplanung. Der Datenfluss kann über Schnittstellen direkt auf den Betriebs-Traktor gespielt werden.

Dass man durch die teilflächenspezifische Bewirtschaftung Dünger sparen könnte, sieht der vortragende Florian Heinitz nur bedingt. Es gehe mehr um eine Umverteilung der Düngemengen auf dem Feld. Für das Raster empfiehlt der Agricon-Mitarbeiter die Größe von einem Hektar. Diese Entscheidung träfe man aber „Hand in Hand“ mit Bewirtschafter der Fläche, der wisse, wo sich ein engeres Raster lohnt. Agricon hält Mehrerlöse bei richtiger Phosphor- und Kali-Planung von bis 50 Euro pro Hektar pro Jahr für möglich, ebenso bei zielgenauer Kalkung.

Mit drei Stichen zum Ergebnis

Weniger mobil aber deutlich kompakter die Lösung von Stenon. Seit Sommer 2020 ist das Farm-Lab der Stenon GmbH im Handel und mittlerweile von der Deutschen Landwirtschafts Gesellschaft (DLG) geprüft und zertifiziert, allerdings fehlt noch die VDLUFA-Anerkennung. Das FarmLab sieht aus wie ein Spaten mit sehr kurzem, schmalem Blatt. Im Griff sitzt ein GPS-Sensor, weiter unten folgen Licht- sowie Wettersensoren. Am Fuß des Gerätes befindet sich das „Herzstück“, wie Martin Jahr von Stenon erklärte: optische und elektronische Sensoren. Diese arbeiten nach dem Fusionsprinzip, nur alle zusammen spucken ein Ergebnis aus. Ist ein Sensor defekt, arbeiten die übrigen ebenso nicht.

Auf dem Acker wird das FarmLab mit leichtem Schwung in den Boden gesteckt. Pro Einstich ermittelt das Gerät 4.500 bis 5.000 Datenpunkte. Diese werden in eine Cloud gesendet und dort per Algorithmus – auf Basis von Statistiken und Stenon-eigenen Bodenprobenahmen – in konkrete Werte umgerechnet. Für ein korrektes Ergebnis bedarf es dreier Einstiche, ein Einstich benötigt etwa 20 Sekunden, um die Einzelmessungen abzuwickeln. Nach dem dritten Einstich erhält man etwa drei Minuten später ein Messergebnis. Voraussetzung allerdings: „Eine stabile Internetverbindung“, wie Jahr betonte. Werte können aber auch eine Zeitlang gespeichert und später, wenn eine Internetverbindung  besteht, übertragen werden.

Wenn das Netzt steht, sind die gewonnenen Werte umfangreich: Darunter die klassischen Nährstoffe und pH-Wert, aber auch organischer Kohlenstoff, Humusgehalt sowie Temperatur und Feuchtigkeitswerte von Boden und Umgebung. Über eine Software können sich Landwirte anschließend eine Düngeempfehlung für ihren Betrieb geben lassen, bezogen auf die gewünschte Kultur. Eine digitale Karte kann auch auf den eigenen Maschinenrechner geladen werden, um so für den Düngerstreuer verfügbar zu sein. Dabei sind 150 Fabrikate im System hinterlegt, ebenso verschiedene Düngemittel. Der Landwirt kann sogar Produkte nachtragen, wenn sie in der FarmLab-Datenbank fehlen. Der Zugang zum System kann zudem mit anderen, zum Beispiel einem Lohnunternehmer, geteilt werden. Alle Daten können als Exel- oder CSV-Datei heruntergeladen werden.

Julius Petri von Pix4D stellte einen noch ganz anderen Ansatz vor. Pix4D hat sich auf Drohnen spezialisiert, um aus Fotos, geschossen aus der Luft, Flächen zu kartieren und zum Beispiel die Stickstoffversorgung von Pflanzen einzuschätzen. Damit sehen sie sich als „ein kleines Werkzeug im sehr großen Precision Farming Werkzeugkasten“.

Die sehr flexible Technik ist schnell einsatzbereit und kann viele Aufgaben erledigen: Die Flugplanung für eine Drohne ist mit zum Beispiel einem Tablet recht einfach möglich. Der Drohnenpilot markiert vor Ort die zu befliegende Fläche auf einer digitalen Karte, und über eine Software wird hieraus die Flugbahn der Drohne berechnet, die den Flug automatisch absolviert. Durch Abfliegen der Feldgrenzen lässt sich zum Beispiel leicht ein Schlag vermessen. Die Drohne schießt zwar nur Einzelbilder, diese lassen sich aber zu einer Karte zusammenfügen. Diese Karte ist georeferenziert, Strecken und Flächen können also ausgemessen werden. Das hilft Landwirten, Lücken im Bestand zu entdecken und auszumessen – gut als Nachweis bei Versicherungsfällen. Regelmäßige Flüge über die eignen Flächen unterstützen so beim Überwachen und Kontrollieren des Aufwuchses. Ebenso können Kalibrierungsprobleme beim Düngerstreuer oder Aussaatfehler sichtbar gemacht werden. Aktuell arbeitet die Firma an der Eingrenzung von Unkrautnestern, um so einen teilflächenspezifischen Herbizideinsatz zu steuern. Hier werden noch Landwirte für eine Zusammenarbeit gesucht.

Die genannten Aufgaben sind mit herkömmlichen Drohnen mit Standard-Kameras möglich und können von Landwirten selbst übernommen werden. Die Firmensoftware „PIX4Dfields“ , die man sich lokal auf den Rechner ziehen kann, hilft beim Erstellen von Karten. Verknüpft mit einem Smartphone als GPS-Empfänger findet sich die Schadstelle im Feld entsprechend leicht.

Aus den Farbdaten der Fotos lässt sich zudem ein Vegetationsindex erstellen, der aussagen kann, wo auf der Fläche es den Pflanzen gut geht und wo weniger gut. Drohnen benötigen dafür teure Multispektralkameras, die auch nicht sichtbares Licht nutzen, um Pflanzenstress sichtbar zu machen. Ausgelesen wird das vom Blattgrün reflektierte Licht, das sich je nach Zustand der Pflanze unterscheidet. Die Technik arbeitet hier mit dem sogenannten NDVI. Über diesen Index können Dienstleister Flächen in Beständen mit schlechter Stickstoffversorgung identifizieren. Aus den Daten kann eine Applikationskarte erstellt werden, die, auf den Schlepperrechner geladen, hilft, Dünger teilflächengenau zu streuen.

Derzeit bieten Drohen eine Flugzeit von 30 Minuten, die Technik schreite aber weiter, wie Petri berichtete. Drohnenschwärme, die von selbst losfliegen und über Äckern Fotos schießen, sei nahe Zukunft, prophezeite Petri. Auch Drohnen, die beispielsweise in schwer zugänglichen Lagen Dünger verteilen, sind im Kommen. Deshalb lohne es sich schon jetzt, sich mit der fliegenden Technik zu beschäftigen.

Komplexe Technik braucht Zeit

Isabell Szallies von der Agrathaer GmbH stellte das Projekt DIWELA vor. Hierbei blicken die Wissenschaftler mit einer Medizinischen Computertomographie (CT) und einer Micro CT in den Boden. Dadurch werden alle Poren, Gänge und Feinwurzeln sowie Verdichtungen im Boden sichtbar, in teils hoher Auflösung. Die Gänge entstehen häufig durch Regenwürmer; kleinere Poren durch kleinere Bodenbewohner. Viele Poren bedeuten also ein aktives Bodenleben. Dieser tiefe Blick macht auch weiteres Sichtbar: So sind Proben von Äckern, die per Direktsaat bewirtschaftet werden, deutlich feiner durchwurzelt und zeigen mehr Bodenleben, als Proben gepflügter Äcker. Animierte 3D-Darstellungen der Proben unterstrichen dies beeindruckend. Ziel des Projektes ist, aus den gewonnenen Erkenntnissen und mit Hilfe weiterer Parameter Rückschlüsse auf das Bodengefüge zu ziehen.

Teilflächenspezifisches Arbeiten ist, so sahen es viele der Vortragenden, eine Entscheidung für viele Jahre. Denn der finanzielle Einsatz zahlt sich vor allem aus, wenn die Techniken kontinuierlich angewendet werden. Ebenso braucht es seine Zeit, bis die wirtschaftenden die komplexe Technik verinnerlicht haben und routiniert anwenden. Auch die Datenmengen gilt es clever zu verwalten, zudem fehlen noch Schnittstellen, die die Systeme für jeden Betrieb kompatibel machen. Doch hier verbessert sich die Technik ständig. Die Detailliertheit der Daten ist faszinierend und die Möglichkeiten gefühlt unendlich.