KI in der Landwirtschaft: AgriSens-DEMMIN 4.0
Feldtag zu Digitalisierung in der Landwirtschaft
AgriSens-DEMMIN 4.0 ist ein großes Projekt mit vielen Teilprojekten. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Grundthema ist, Fernerkundungsdaten für den Pflanzenbau zu nutzen. So sollen Landwirte bessere Entscheidungen für Düngung, Aussaat oder Bodenbearbeitung treffen.
An der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung Groß Kreutz (LVAT) hatten sich am 6. November Vertreter der Teilprojekte zusammengefunden, um vorzustellen, was bisher erreicht wurde. Hierbei präsentierte sich AgriSens-Demmin 4.0 gemeinsam mit den Projekten DigiMix-PA, Soil-X-Change und dem Projekt Demonstrationsbetriebe Integrierter Pflanzenbau.
Folgende Themen warteten auf die Veranstaltungsgäste:
- Steindetektion mit Drohnen und KI
- Ertragsabschätzung und Managementzonierung
- Hochauflösendes Wetterradar
- Online-Tools zur teilflächenspezifischen Niederschlagserfassung
- Mobile Lösung „FieldMApp“ zur nachhaltigen Bewirtschaftung und Datenaufnahme im Feld
- Bodensensorik und smarte Wetterstationen
- Technik und Sensoren zur teilflächenspezifischen N-Düngung
- Virtual Reality Experimentierwelt für Präzisionspflanzenbau
- Hochauflösende sensorbasierte Bodenkartierung
- Automatisierte Erfassung und Übertragung von Landmaschinendaten
- Aufbau einer digitalen Kommunikations- und Datenplattform für den Betrieb
Die Projekte wurden an Ständen auf dem Gelände der LVAT vorgestellt. Zudem standen hier landwirtschaftliche Maschinen, präsentiert von den Herstellern. Im Gebäude gab es Vorträge: Die Themen waren vielfältig – entsprechend gut besucht war die Veranstaltung. Der gewählte Raum bei der Versuchsanstalt war vollbesetzt bis auf den letzten Stuhl.
Steinerfassung mit KI und Drohne
Wenn über Digitalisierung gesprochen wird, ist auch immer Künstliche Intelligenz (KI) Thema. So trainierte im Projekt Steinerfassung ein Team um Dr. Detlef Thürkow und Dr. Mike Teucher an der Universität Halle eine KI, Objekte im Acker zu erkennen. Träger des Erkennungssystems ist eine Drohne. Ergebnis ist eine Karte, die zeigt, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit Steine liegen.
Tatsächlich detektiert die KI-Temperaturunterschiede auf dem Acker – Steine verraten sich dabei durch höhere Abstrahltemperaturen. Grundsätzlich stoße die Idee in der Praxis auf großes Interesse, so der Referent Professor Christopher Conrad. Jedoch sei das System insbesondere bei großen Feldern noch nicht ausgereift. Zudem erkenne es noch nicht die Dimensionen des Steins unter dem Boden, und bei aufgelaufener Saat wird die „Erkennung schlechter“. Weitere Trainingseinheiten für die KI versprechen höhere Präzision.
Auch bei der teilflächenspezifischen Düngung wünscht sich mancher mehr Präzision. Im ATB-Projekt DigiMix-PA will man diese erreichen, indem Satellitendaten über die Vegetationsentwicklung und Boden-Informationen vom Geophilus, einem Multisensorsystem, das hochaufgelöste Bodentexturkarten erstellt, zusammengeführt werden. Daraus werden Drei-Zonen-Karten erstellt, die eine geringe bis hohe Ernteerwartung anzeigen. Am Projekt-Ende soll eine komplette digitalisierte Prozesskette zur Flächenbewirtschaftung entstehen.
FieldMApp: Praxiswissen für die Landwirtschaft in der App
Auf das Wissen der Praxis setzt das Projekt FieldMApp. Mit der App gleichen Namens können Landwirte während der Fahrt über das Feld Problemstandorte eintragen und so „ortsgebundenes Wissen digitalisieren“, so Sina Truckenbrodt von der Universität Jena, die das Projekt vorstellte. Dadurch können Lage, Ausdehnung und Eigenschaften von potenziellen Minderertragsflächen, Nestern von Schadgräsern oder Wildschäden innerhalb eines Ackers dauerhaft gespeichert werden. Kombiniert mit Satellitendaten lassen sich so statistische Vegetationsentwicklungen errechnen.
Wetterradar: Regen auf dem Acker messen
Kleinräumige Szenarien stellte auch Alice Künzel (M. Sc.) vom Helmholtz-Zentrum Potsdam vor. Sie wertet Daten eines dual-polarisierten bodennahem X-Band Wetterradars aus. Dieses leistet eine zehnmal höhere Auflösung als die C-Band-Radare des Deutschen Wetterdienstes. In einem Radius von 70 Kilometern lassen sich so Extremniederschlagsereignisse registrieren. Allerdings erfassten diese empfindlichen Systeme alles Mögliche, erklärte Künzel, weshalb der Niederschlag zunächst herausgefiltert werden müsse.
Dafür entwickelten die Verantwortlichen die Software WRaINfo, die als Open-Source verfügbar ist. Da Starkregen auf einem Acker höchst unterschiedlich verteilt ausfallen kann – bis zu 15 Liter Unterschied – kann dieses Wissen für einen Landwirt wichtig sein; welche Flächenteile bekamen ausreichend Wasser, wo muss trotzdem beregnet werden?
Eine Radarstation von Hersteller Furuno steht aktuell auf dem Dach der Hochschule Neubrandenburg. Weitere zwei sollen für das Nachfolgeprojekt AgroHyd-X in Brandenburg installiert werden. Praxispartner sind hier die Oehnaland Agrar GmbH und die Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung.
Weitere Projekte finden Sie auf der Seite von AgriSens-DEMMIN 4.0
Digitalisierung in der Landwirtschaft: Mehr Zeit für die Familie
Den Abschluss des Vortragsteils bildete eine Diskussion. Hier vertraten zwei Landwirte die Sicht der Praxis auf die Digitalisierung. Stefan Bernickel aus Gramzow in der Uckermark hatte bereits einen spannenden Vortrag über Datenspeicherung- und Verwaltung in seinem Betrieb gehalten. Seine Erfahrungen mit der Digitalisierung: Mehr Familienzeit, da die Digitalisierung ihm helfe, seine Arbeitszeit besser zu planen. Beispielsweise bringe er weniger Pflanzenschutzmittel auf die Fläche, als noch sein Vater. Aber er sieht auch viel Nachholbedarf: „Ich wünsche mir eine Bildungsstelle für Landwirte zur Digitalisierung.“ Schließlich müsse erklärt werden: „Wie bringe ich die bunten Karten auf meinen Acker.“
Informiert bleiben: Weitere Veranstaltungen im Blick behalten
Ebenso auf dem Podium saß Golo Philipp, Pflanzenbauwissenschaftler und derzeit Pflanzenbauleiter auf dem Familienbetrieb bei Frankfurt/Oder. Er startete im Jahr 2007 seine Tätigkeit, als es eine flächige GPS-Unterstützung kaum existierte. Doch dank Digitalisierung und seiner Mitarbeit als Praxispartner im Projekt pH-BB erreichte er homogene pH-Werte auf den eigenen Betriebsflächen.
Herausforderungen und Wünsche der Landwirte
Ebenso sieht LVAT-Betriebsleiter Detlef May die Digitalisierung als eine Möglichkeit, Zeit zu sparen, zum Beispiel durch „größere Schnelligkeit bei der Dokumentation.“ Auch er mahnt aber eine bessere Ausbildung im weiten Feld digitaler Systeme an. Das konnte Dr. Alison Beamish, Co-Leiterin des FERN.Lab, einem Zentrum für Geoinformationstechnologie des Helmholtz-Zentrum Potsdam (GFZ), bestätigen. Allerdings müsse man auch analysieren, „welche Lücken in der Bildung“ bestünden.
Zudem erinnerte sie daran: „Die Praxis muss stärker eingebunden werden“, wenn es um die Entwicklung technischer Lösungen geht. Zum Beispiel funktionierten verschiedene Systeme oft nicht miteinander, wie Golo Philipp berichtete und meinte damit unter anderem die fehlende digitale Kommunikation von Maschinen unterschiedlicher Hersteller.
Einfachheit statt Komplexität
Dirk Scheibe von der LAB-Agrarberatung nannte Vorteile und Nachteile der Digitalisierung. So könnten Landwirte über ein Geoportal „Eigentümerinformationen vorn Flurstücken“ abfragen, was die Flächenbewirtschaftung erleichtere. Allerdings könnten auch Behörden über Satellitendaten angebliches „Fehlverhalten“ von Landwirten ahnden. Fernerkundung „kann also auch nach hinten losgehen“, so Scheibe.
Damit das nicht geschieht, könnte man es mit Detlef May halten, der für das wissenschaftliche Arbeiten zwar die kompletten Datensätze eines Systems bevorzuge, aber für die Praxis reiche oft „keep it simple“. Landwirt Stefan Bernickel brachte es auf den Punkt: „KI ersetzt keine Bauernschläue.“