Der Anbau von Industrie-Hanf hat in Brandenburg eine lange Tradition. Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam führt diese fort und verantwortet jetzt das Dreijahres-Projekt „Industrie-Hanf in Brandenburg – Kohlenstoff-Sequestrierung entlang der Wertschöpfungskette vom Anbau bis zum Produkt“. Mit in diesem vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) geförderten Projekt sind die Praxispartner Agro Saarmund GmbH, ein landwirtschaftlicher Betrieb, der den Hanfanbau bereits erprobt und erste Vermarktungsstrategien entwickelte und die MRHanf Beratung, zuständig für die Entwicklung und Vermarktung von hanfbasierten Baustoffen.
Am 12. Juli veranstaltete das Projektteam nun einen kleinen Feldtag für den Bauernverband. Treffpunkt war das Hanffeld in Saarmund, auf dem die Pflanzen schon mannshoch stehen. Das ATB wurde dabei vom Projektverantwortlichen Dr. Hans-Jörg Gusovius vertreten. Ebenfalls vor Ort: Ulrich Benedix, einer der Geschäftsführer der Agro Saarmund GmbH, und Marijn Roersch van der Hoogte. Er gründete die Beratungsfirma „MRHanf Beratung“ und gilt als einer der renommierten Hanf-Experten im Land.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts verdrängten zunächst Baumwolle und später Kunstfasern den Hanf. Seit einigen Jahren bauen ihn Landwirte zum Beispiel in der Uckermark, Prignitz und Lausitz aber wieder an. Auch der Landtag in Brandenburg wünscht sich eine Rückkehr dieser Faserpflanze und verabschiedete im Frühjahr 2021 einen Antrag, wonach Hanf besser gefördert werden muss. Auch das ATB, das schon länger an Faserpflanzen forscht, sieht wie die beiden Praxispartner Hanf als große Chance. Denn die Vorteile dieser heimischen Kultur sind deutlich: Hanf gedeiht auch auf sandigen Böden, passt somit gut nach Brandenburg. Er liefert rasch Biomasse und kann in rund 100 Tagen Biomasseerträge von sechs bis zu 12 Tonnen je Hektar liefern, so Zahlen aus dem ATB-Projekt. Die Fasern und Schäben sind für viele Produkte derzeit stark nachgefragt. Bezüglich Klimaschutz ebenso wichtig: Hanf bietet ein hohes Kohlenstoff-Bindungsvermögen pro Flächeneinheit. „1,6 Tonnen CO2 pro eine Tonne Biomasse kann Hanf speichern“, nennt van der Hoogte eine Kennzahl. „Das habe allerdings nicht ich berechnet, sondern der Europäische Industrie-Hanf Verband.“ Diese gute Bilanz ergibt sich auch durch das große Wurzelvolumen der Pflanze, das bis zu drei Meter in die Tiefe reichen kann. Auch wirken langlebige Hanf-Produkte als langfristige Kohlenstoffspeicher.
Hanf bewerten und nutzen
Die am Projekt Beteiligten führen Feldversuche unter Praxisbedingungen auf den Flächen der Agro Saarmund mit drei Hanf-Sorten durch. Regelmäßig werden in den kommenden Jahren die Erntemengen und Wurzel-Biomassen ermittelt sowie Bodenproben genommen, um Gehalte von Humus, Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor zu untersuchen. Anhand einer exemplarischen Wertschöpfungskette für ein Produkt, gefertigt aus dem Projekt-Hanf, soll die CO2-Speicherung dargestellt und bewertet werden.
Das Faserpflanzenstroh wird jedes Jahr geerntet, gelagert und anschließend aufbereitet. So entstehen zwei Hauptproduktströme: Fasern und Schäben. Beide Fraktionen werden schon jetzt von der Industrie genutzt zum Beispiel in Verbundwerkstoffen für den Leichtbau in der Fahrzeugfertigung sowie für technische Textilien. Die Fasern und der holzige Innenkern des Hanfstängels können recht einfach zu Baustoffen geformt werden, die zudem Heiz- oder Klimatisierungsenergie einsparen. Neben der Nutzung der Hanfsamen, des Öls sowie Blatt und Blüten für Lebens- und Futtermittel kommt natürlich auch Bekleidung in Frage. Hierfür fehlen aber allerdings inländische Fertigungskapazitäten. Auch das Projekt will innerhalb des Vorhabens Hanf-Produkte entwickeln, um so die gesamte Wertschöpfungskette abzubilden.
Was wächst auf dem kargen Boden
Vor Ort baut die Agro Saarmund drei Hanfsorten an, zwei Samensorten und eine Fasersorte. Der Acker hat hier einen Bodenwert von etwa 18. Ziel ist somit auch, zu prüfen, welche Hanfvariante am besten auf dem kargen Boden gedeiht. Als klimarelevanter gelten die höherwüchsigen Sorten, weil im Stängel CO2 gespeichert wird – je höher der Stängel, desto mehr CO2-Speicherung. Ebenso ist die Wurzelmenge von Belang, da über die Humusbildung ein Beitrag zur CO2-Sequestrierung erwartet wird.
Allerdings sehen manche Projektbeteiligte die Ernte ab Anfang September noch als Herausforderung. Denn gerade die langen Stängel könnten sich in der Maschine verfilzen und so schnell Reibung erzeugen und im schlimmsten Fall die Technik in Brand setzen. Bei der Erntetechnik gibt es also noch Entwicklungsziele. Und auch in punkto CO2 denkt das Projektteam an die Zukunft: So planen die Verantwortlichen, CO2-Zertifikate auszugeben. „Doch bevor wir das anbieten, müssen wir erst Daten liefern“, so der Biologe Roersch van der Hoogte. Diese Daten soll das Dreijahres-Projekt liefern und am Ende damit auch die Region unterstützen. Denn die CO2-Kompensation soll ausschließlich regional genutzt werden, die Zertifikate also vom regionalen Handel und hiesigen Produzenten erworben werden können.